"Hauptschüler sind besser als ihr Ruf"
Nach einem weit verbreiteten Vorurteil produzieren Hauptschulen nur demotivierte Problemschüler. Das ist zwar maßlos übertrieben, Fakt ist aber: Viele verlassen die Schule ohne echte berufliche Perspektive. Das Modellprojekt "Zeig, was Du kannst! Erfolgreich ins Berufsleben starten" fördert seit April 2008 Jugendliche, damit ihnen der Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung oder zu einem höheren Schulabschluss gelingt. An den vier Projektstandorten Berlin, Bremen, Düsseldorf und München läuft der vorerst letzte Durchgang.
23.12.2009
Von Verena Mörath

"Wir sind überzeugt, dass viele Jugendliche mit Hauptschulabschluss durch eine gezielte Unterstützung ihre Talente entfalten können", sagt Projektleiter Marcel Nikolov. Deshalb werden die Schüler drei Jahre lang begleitet - vom Beginn des vorletzten Schuljahres bis zum Ende des ersten Ausbildungsjahres oder bis zum Ende des ersten Schuljahres auf einer weiterführenden Schule. Initiator des Projekts ist die Stiftung der Deutschen Wirtschaft. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt dafür bis 2012 jährlich rund eine halbe Million Euro bereit. 18 Schulen in vier Städten beteiligen sich an der Initiative.

"Hauptschüler sind engagierte und kluge Jugendliche"

Zum Programm gehören Workshops zur Berufsorientierung, Bewerbungstrainings und eine kontinuierliche Betreuung durch Coaches, Unternehmensvertreter und Vertrauenslehrer. "Ziel ist es, das Selbstbewusstsein der Schüler zu stärken und sie zu motivieren, sich weiterzuentwickeln und den eigenen Werdegang aktiv zu gestalten", erläutert Nikolov. Gleichzeitig solle demonstriert werden, dass "Hauptschulen besser sind als ihr Ruf und dass es dort jede Menge engagierter und kluger Jugendlicher gibt".

Bewerben können sich nur Schüler mit einem Notendurchschnitt von 3,0 oder besser. Außerdem muss ihnen eine Lehrkraft die Teilnahme empfehlen. Ist diese Hürde geschafft, muss ein schriftlicher Auswahltest bestanden werden. 329 Schüler wurden seit April 2008 in das Förderprogramm aufgenommen.

Moralische Unterstützung notwendig

Der 14-jährige Christian Pejic aus München ist seit November dabei. Mit seinem Notendurchschnitt von 2,6 zeigte er schon vorher, was er kann. Aber er will mehr: "Ich nehme teil, weil ich ein Berufsziel finden möchte, das zu mir passt." Der zweitägige Workshop "Meine Begabungen und Talente entdecken" hat ihm dabei geholfen: "Ich will meinen Realabschluss auch noch schaffen und dann Verkäufer in der Modebranche werden." Er habe herausgefunden, dass er gerne Menschen berät und kontaktfreudig sei.

"Meine Erfahrung zeigt, dass sich selbst gute Hauptschüler stigmatisiert fühlen und verunsichert sind", sagt der 38-jährige Coach Chan Chaichalermpol. Es sei wichtig, diesen Jugendlichen zu vermitteln, dass sie "etwas wert sind und etwas leisten können". Diese Form der Unterstützung sei deshalb absolut notwendig und sinnvoll, betont der Coach.

Mehr Selbstbewusstsein durch Coaching

Das Deutsche Jugendinstitut evaluiert das Modellprojekt. "Ziel ist es zu sehen, welche Förderbausteine fruchten und was eventuell noch ausbaufähig ist", erklärt Projektleiter Nikolov. Sehr zufrieden ist er mit dem Projektverlauf in München. "Hier sind alle Jugendlichen aus dem ersten Durchgang in einer Ausbildung oder in weiterführenden Schulen untergebracht."

Die 15-jährige Förderschülerin Lisa Anita Auffanger lässt sich zur Fachkraft für Lagerlogistik ausbilden. "Ich glaube zwar, dass ich auch ohne das Förderprogramm einen Ausbildungsplatz gefunden hätte", sagt die Münchnerin, "aber ich habe durch das Coaching mehr Selbstbewusstsein entwickelt." Das Programm sei auch während der Ausbildung noch eine tolle Hilfe. Lisa denkt, dass es Hauptschüler schwerer haben als andere: "Aber wer wirklich will, der schafft es auch."

epd