Tsunami-Frühwarnsysteme sollen Leben retten
Sirenen schrillen und Lautsprecher der Moscheen ertönen über weite Teile der indonesischen Provinz Aceh: Es habe ein Beben der Stärke 9,2 auf der Richter-Skala gegeben, hieß es. Die Menschen sollten alles stehen und liegen lassen und Tsunami-sichere Häuser aufsuchen. Doch echte Gefahr drohte am 14. Oktober 2009 glücklicherweise nicht.
22.12.2009
Von Nicola Glass

Es war eine Probe für den Ernstfall - ein von Experten simuliertes und der "Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission" der UNESCO in Paris koordiniertes Szenario. Außer Indonesien beteiligten sich noch 17 weitere Staaten rund um den Indischen Ozean an der Übung. Viele Menschen der Region haben das Tsunami-Desaster vom 26. Dezember 2004 mit mindestens 230.000 Toten noch vor Augen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Warnsystem gegeben, hätten viele Leben gerettet werden können. Für die Zukunft will man daher gewappnet sein. Seit 2005 wird ein solch regionales System für die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans aufgebaut.

Deutsche Wissenschaftler entwickelten Technologie

Dazu gehört auch das deutsch-indonesische Frühwarnsystem. Für das von Katastrophen besonders gebeutelte Indonesien eine absolute Notwendigkeit: "Wir leben an einem Abgrund", hatte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono einst gewarnt - und sich bei der bei der öffentlichen Inbetriebnahme des Systems im November 2008 umso erleichterter gezeigt.

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Die Technologie haben maßgeblich deutsche Wissenschaftler entwickelt - unter Federführung des Geoforschungszentrums Potsdam. Wichtigste Komponenten sind Messbojen, Satellitenübertragungen, Seismometer und Sensoren. Die Daten laufen in einem Lagezentrum der indonesischen Hauptstadt Jakarta ein, von wo aus dann innerhalb kürzester Zeit Alarm geschlagen werden kann. Ursprung und Stärke eines Erdbebens lassen sich damit ziemlich exakt bestimmen. Deutschland hat den Aufbau des Warnsystems mit etwa 50 Millionen Euro unterstützt. In 2010 soll es vollständig an Indonesien übergeben werden.

Rechtzeitige Information der Bevölkerung schwierig

So stolz man auch auf die Fortschritte verweist: Reibungslos verliefen Entwicklung und Aufbau keineswegs, zeitliche Verzögerungen inklusive. Zudem monierten Kritiker, dass die ersten, im Spätsommer 2005 nach Indonesien gelieferten Bojen, ausführlicher hätten getestet werden müssen. Auch an anderer Stelle tauchten Probleme auf: Eine von den USA gestiftete Boje war zeitweilig außer Betrieb - laut der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde war diese im Frühjahr 2008 beschädigt worden. Die Experten vermuten, dass Fischer ihre Boote daran festgemacht hatten.

Ebenfalls schwierig gestaltet sich die rechtzeitige Information der Bevölkerung. "Dass die Warnungen die Menschen in den Provinzen, Distrikten und Kommunen erreichen, bleibt eine Herausforderung", bestätigt Al Panico von der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds in Kuala Lumpur. Der Abteilungschef für den Tsunami-Wiederaufbau ergänzt: "Die Bewohner müssen außerdem so geschult werden, dass sie nicht in Panik verfallen." Dazu gehöre die Fähigkeit, Warnungen richtig zu interpretieren.

Thailand: Die Angst vor einer neuen Flutwelle sitzt tief

Auch Indonesiens Nachbarländer sind nicht vor Pannen gefeit. Testläufe in Thailand gerieten zur Farce, weil die Lautsprecherwarnungen nicht zu hören waren. Hinzu kommt: Eine im Dezember 2006 in Betrieb genommene Boje im Indischen Ozean, ein Geschenk der USA an Thailand, funktionierte seit Monaten nicht mehr. Die Batterie war leer gelaufen - und es habe kein Geld für den Austausch gegeben, monieren Kritiker.

Thailand, das für die Wartung zuständig ist, möchte diese Peinlichkeit nun schnell beheben. Das Land bestellte jüngst drei neue Bojen. Die nicht funktionstüchtige wurde jüngst ersetzt. Die beiden anderen sollen bis Ende 2010 zusätzlich in der Andamanensee vor der thailändischen Südwestküste platziert werden.

Die Angst vor einer neuen Flutwelle sitzt auch hier tief. Vor allem im Fischerdorf Ban Nam Khem hat der Tsunami von Ende 2004 tiefe Spuren hinterlassen. In dem Dorf, etwa zwei Stunden Autofahrt nördlich von der Touristeninsel Phuket entfernt, war damals fast die Hälfte der 5.000 Bewohner umgekommen. "Viele Menschen haben immer noch große Angst vor einem Tsunami", sagt Pastor Wasan Sriwattananuphong, der in der Gegend lebt. "Alle drei bis vier Monate gibt es Tsunami-Übungen." Dennoch verfielen Bewohner bereits in Panik, selbst wenn Gerüchte über ein neues Beben aufkämen. Genau das soll für die Zukunft vermieden werden. Damit schon Kinder lernen, wie man sich im Notfall verhält, gehört das Thema Tsunami seit einiger Zeit zum Unterrichtsstoff in Südthailands Schulen.

epd