"Berlin, nun freue dich": Brandenburger Tor 20 Jahre wieder offen
Der Himmel weinte vor Freude, und der Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD) rief der Menge zu: "Berlin, nun freue dich!" Vor einer Kulisse von Zehntausenden Menschen durchschritten Momper und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) vor 20 Jahren - am 22. Dezember 1989 - als erste das wiedereröffnete Brandenburger Tor. Auf östlicher Seite wurden sie vom DDR- Ministerpräsidenten Hans Modrow begrüßt.
22.12.2009
Von Wilfried Mommert

Der Kanzler sprach von einer der glücklichsten Stunden seines Lebens. Kohl und Modrow hatten die Öffnung kurz zuvor bei ihrem ersten Treffen in Dresden vereinbart. Der Ost-Berliner Oberbürgermeister Erhard Krack meinte: "Hier gehen Welten aufeinander zu." Nie wieder, so wurde immer wieder betont, auch in Erinnerung an die unseligen Fackelzüge der Nazis an dieser Stelle, dürfe das Brandenburger Tor ein Tor des Krieges und der Bedrohung sein. Eine Inschrift aus Bronzelettern an dem am 6. August 1791 eröffneten Tor lautete seit 1792 "Friedenstor" - ein Name allerdings, der sich trotz vieler späterer Friedensappelle an diesem Ort nie gegen "Brandenburger Tor" durchsetzen konnte.

Im Dezember 1989 hieß es nun, das ehemalige Mahnmal der Teilung Deutschlands und Berlins werde als "Tor der Freiheit" in die Geschichte eingehen. Es war der Tag der Emotionen und der großen Worte. Auch der frühere Bundeskanzler und Regierende Bürgermeister Willy Brandt (SPD) war natürlich dabei, als Berlin sein altes Wahrzeichen zurückerhielt, das 28 Jahre lang seit dem Mauerbau vom 13. August 1961 - dem Trauma der meisten Berliner - eher Symbol der deutschen Teilung war. Die Öffnung des Tores war für die Berliner fast so etwas wie der Höhepunkt und Schlussstein des Mauerfalls vom 9. November 1989.

Bilanz der ersten gemeinsamen Feiertage 

Schon am Heiligabend 1989 wurde den West-Berlinern und allen Bundesbürgern "freier Eintritt" ohne Visumpflicht und Zwangsumtausch nach Ost-Berlin und die DDR gewährt. Dies quasi als Vorgriff auf die 1990 sich immer rascher anbahnende deutsche Vereinigung, die der Ruf "Wir sind ein Volk" bei den Massendemonstrationen in Leipzig und Ost- Berlin bereits ahnen ließ.

"Juhu, nichts bezahlt!", freute sich am 22. Dezember ein West- Berliner, der gerade völlig durchnässt, aber freudestrahlend über die Grenze am Brandenburger Tor gekommen war. Das Gedränge bei der Öffnung des Brandenburger Tores nahm beängstigende Ausmaße an. Mehrere Menschen wurden verletzt, Gitter wurden niedergerissen, Kinder schrien, manche Menschen brachen in Tränen aus. Das Deutsche Rote Kreuz sprach von einer "psychologischen Überbelastung" in einzelnen Fällen.

Ähnliches mit leider noch tragischeren Folgen sollte sich bei der anschließenden riesigen Silvesterparty am Brandenburger Tor wiederholen, als viele Menschen bis zur Quadriga auf dem Tor hochkletterten, die dabei beschädigt wurde. Sogar der Lorbeerkranz wurde ihr abgerissen. Die traurige Bilanz der bis dahin größten Silvesterfeier, die Berlin je erlebt hatte: Ein Toter - ein 24- jähriger Student, beim Einsturz einer Videowand - und mehrere hundert Verletzte.

"Irgendwann fällt jede Mauer"

Zu groß war die Freude der Berliner in Ost und West, "ihr" Brandenburger Tor nach all den Jahren mit Mauer und Sperranlagen wieder in Besitz nehmen zu können - von beiden Seiten aus, vom Pariser Platz im Osten und dem westlichen Platz vor dem Brandenburger Tor, der seit dem Jahr 2000 den Namen "Platz des 18. März" in Erinnerung an die März-Revolution von 1848 trägt.

So war denn das Bild auch mehr von einer Volksfeststimmung geprägt. Wie schon in der historischen Nacht vom 9. November knallten die Sektkorken, und Menschen riefen immer wieder "Wahnsinn!" oder "Dass wir das noch erleben dürfen!" Schon wenige Tage zuvor waren unter Jubelrufen und Beifall zahlreicher Schaulustiger die ersten Stücke der mehrere Meter dicken Mauer am Brandenburger Tor von Bauarbeitern eingerissen worden. Eines davon war mit der Aufschrift "Irgendwann fällt jede Mauer" besprüht worden.

Kaum war die Mauer auch am Brandenburger Tor gefallen und beide Stadthälften im Oktober 1990 wieder vereint, begann in den kommenden Jahren der zum Teil historische Wiederaufbau des angrenzenden Areals. Dazu gehören heute unter anderem die Botschaften der USA und Frankreichs, die Akademie der Künste, das Max-Liebermann-Haus und das Hotel Adlon. Und schließlich zog hier auch das Kennedy-Museum ein, nicht zuletzt in Erinnerung an den historischen Berlin-Besuch des US- Präsidenten John F. Kennedy im Juni 1963. Ihm haben die West-Berliner seine Rede vor dem Schöneberger Rathaus mit dem Bekenntnis "Ich bin ein Berliner!" nie vergessen.

dpa


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ZDF heute vom 22.12.1989. Quelle: ZDFmediathek