Enttäuschung in Kopenhagen - Hoffnung für Bonn
Die 15. Weltklimakonferenz in Kopenhagen wird wahrscheinlich als eine der schwierigsten, chaotischsten und möglicherweise folgenreichsten in die Geschichte eingehen. So empfanden es jedenfalls zwei Teilnehmer, die direkt dabei gewesen sind.
20.12.2009
Von Richard Brand und Thomas Hirsch

Brot für die Welt und Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) waren mit einer gemeinsamen Delegation und zahlreichen Partnern bei der Konferenz anwesend. Als zivilgesellschaftliche Beobachter haben sie die Debatten verfolgt, mit Delegierten gesprochen, ökumenische Veranstaltungen organisiert und über den Verlauf (www.countdowntocopenhagen.de) berichtet.

Der Blog-Beitrag ist ein erster und noch frischer Eindruck zur Weltklimakonferenz und zu den letzten 14 Tagen in Kopenhagen. Die Enttäuschung über das Ergebnis des Gipfels und damit der zweijährigen Verhandlungen seit Bali sitzen ein Tag nach Rückkehr allerdings noch tief. Bis zuletzt haben wir mit vielen Anderen gehofft, dass sich das Blatt in den letzten dramatischen Stunden doch noch wendet und dass ein besseres Ergebnis als das weitgehende Scheitern herauskommt. Der brasiliansiche Präsident Lula hat dies in die Worte gefasst: "Als gläubiger Mensch glaube ich an Wunder und ich bin bereit meinen Teil zu einem Wunder hier in Kopenhagen beizutragen." Es hat nicht sollen sein.

Verantwortung nicht gerecht geworden

Die internationale Klimapolitik steht vor einem Scherbenhaufen. Die Regierungschefs sind in Kopenhagen ihrer historischen Verantwortung nicht gerecht geworden. Die Folgen werden alle treffen, vor allem aber die armen und besonders schutzlosen Menschen in den schon heute besonders betroffenen Entwicklungsländern wie Tuvalu, Bangladesh oder Mali. Das von allen beschworene Ziel, jetzt endlich ambitionierte und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die globale Erwärmung bei deutlich unter 2 Grad stabilisiert werden kann, ist gescheitert.

Der Gipfel ist nicht erst in Kopenhagen gescheitert, sondern bereits auf dem Weg dorthin. Zu lange wurde taktiert, gezaudert, abgelenkt, auf andere gezeigt. Die fast 120 anwesenden Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzlerin Merkel, haben damit zwar gezeigt, dass sie den Klimawandel Ernst nehmen und dass Handeln Not tut. Aber sie haben versagt.

In den mehr als zehn Vorverhandlungen in den letzten zwei Jahren wurde zu viel nach hinten verschoben. Erst spät kamen die ersten verhandlungsfähigen Textentwürfe für verbindliche Abkommen auf den Tisch, die die Grundlage für die Klimaarchitektur für die Zeit nach 2013 bilden sollten. Die kritischen Punkte wurden nicht gelöst, alle Seiten versuchten ihre eigenen Anstrengungen möglichst niedrig zu halten. Kopenhagen sollte den Durchbruch bringen. Diese Strategie ging nicht auf und hat letztendlich denjenigen in die Hände gespielt, die von Anfang an nicht an einem ambitionierten, fairen und vor allem auch verbindlichen Abkommen interessiert waren. Am Ende waren die Fronten so verhärtet, dass kein guter Abschluss mehr möglich war. Die unglückliche, überforderte und nicht immer neutrale Leitung durch die dänischen Gastgeber war dafür mitverantwortlich.

Obamas Auftritt nur wenig inspirierend

Insbesondere den USA und vielen anderen Industrieländern hat es an der ernsthaften Bereitschaft gemangelt, ihre Emissionen in einer Höhe zu mindern, mit der das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden kann. Der Auftritt von Präsident Obama war wenig inspirierend, substanzlos und ohne neue Vorschläge – insgesamt eine der größten Enttäuschungen. Es war danach spürbar, dass es wohl nicht mehr zu einem Umschwung kommt. Alle Versuche der EU, die im Vorfeld signalisiert hat, dass sie bereit ist, ihr Reduktionsziel auf minus 30% zu erhöhen und sogar auf minus 40 Prozent zu gehen, wenn es ein ambitioniertes Abkommen und vergleichbare Anstrengungen anderer Länder gibt, hat nichts genützt. Auch Bundeskanzlerin Merkel hat in diese Richtung geworben. Selbst Länder wie Japan oder Neuseeland, bisher eher zögerlich, haben ihre Angebote in Kopenhagen verbessert.

Die Aktionen Chinas und anderer Schwellenländer waren insgesamt zu zögerlich. Zu lange wurde sich hinter der Formel verschanzt, dass allein die Industrieländer aufgrund ihrer historischen Verantwortung, sich verbindlich in einer zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls auf Emissionsreduktionen festlegen müssen. China, Indonesien, Brasilien und vor allem Indien sollen nicht mit den Industrieländern gleichgesetzt werden. Zu deutlich unterscheiden sich wirtschaftliche Entwicklung, Anteil der Armen, Pro-Kopf-Einkommen und Pro-Kopf-Emissionen von den reichen Ländern. Aber als große Emittenten haben sie zukünftig für die globale Entwicklung eine entscheidende Rolle und müssen jetzt beginnen, Anpassungen an ihren kohlenstoffbasierten Wachstumspfaden vorzunehmen. Auch wenn die Bereitschaft der Industrieländer, solche Aktionen finanziell zu unterstützen, bisher völlig unzureichend ist, hätte mehr Flexibilität der Schwellenländer den Verhandlungen gut getan, statt sich weiterhin hinter den armen Ländern zu verstecken.

Nur wenig Raum für Kompromisse

Bis zum Schluss verfochtene Maximalpositionen haben wenig Raum für Kompromisse eröffnet. Die Entwicklungs- und Schwellenländer (repräsentiert durch die Gruppe der G77 und China) waren in Kopenhagen nicht mehr so geschlossen wie früher. Zu deutlich sind die unterschiedlichen Herausforderungen und Ausgangslagen. Vor allem die kleinen Inselstaaten (AOSIS-Länder) und die armen afrikanischen Länder setzten eigene Akzente, forderten mehr Solidarität, mehr Anstrengungen im Klimaschutz und ausreichende Unterstützung zur Anpassung.

Es kommt jetzt in den nächsten sechs Monaten darauf an, das an den Verhandlungstexten weiter intensiv gearbeitet wird. Kopenhagen ist zwar ein bitterer Rückschlag für die Klimapolitik, aber die Chance, ein faires, ambitioniertes und verbindliches Abkommen zu erzielen, ist noch nicht verloren. Auf Deutschland kommt eine wichtige Rolle zu, da die nächste Konferenz im Juni 2010 in Bonn stattfindet. EED und Brot für die Welt werden die Bundesregierung nicht aus der Verantwortung entlassen. Deutschland kann und muss auch ohne internationale Verpflichtungen konsequent Emissionen reduzieren und Anpassung in Entwicklungsländern finanzieren. Die Kirchen werden die deutsche Klima-, Energie- und Entwicklungspolitik unter diesem Gesichtspunkt kritisch begleiten.

Der starke Rückenwind für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit, den es in den letzten Monaten in Kirche und Gesellschaft gegeben hat, ist Ansporn und Auftrag, jetzt erst recht für den überfälligen Wandel einzutreten. Die internationalen Partner, Afrika, Lateinamerika, Asien und im Pazifik erwarten dies von uns und zählen auf unsere Solidarität. Bischof July (Württemberg), Bischof Ulrich (Nordelbien)und Präses Buß (Westfalen) haben diesen Auftrag bei einem internationalen ökumenischen Zusammentreffen in Kopenhagen eindrücklich bekräftigt.

Über die Autoren:
Thomas Hirsch ist Klimaexperte von Brot für die Welt
Richard Brand ist Klimareferent des EED

Weitere Informationen:
www.countdowntocopenhagen.de
www.brot-fuer-die-welt.de
www.eed.de/klima