Klimagipfel: "Die Erklärung bringt Afrika den Tod"
Was bleibt vom großen Klimagipfel in Kopenhagen? Nicht viel. Eine Absichtserklärung, die jedes Land deuten kann, wie es will. Klar ist nur: Zu den Verlierern zählen die armen Länder in der Welt. Deswegen reagierten sie so erbost auf den Entwurf, den eine kleine Gruppe Länder ausgearbeitet hatte.
19.12.2009
Von Stefan Fuhr und Elvira Treffinger

Am Freitag, kurz vor Mitternacht, eröffnete Lumumba Di-Aping den letzten Akt des Gipfel-Dramas in Kopenhagen. Der sudanesische Delegationsleiter eilte ins Pressezentrum der Konferenz, stellte sich vor die Kameras und entrüstete sich wortreich: "Die Erklärung bringt Afrika den Tod", wetterte er gegen den Entwurf, den eine Kerngruppe aus 25 Staaten erarbeitet hatte. Die Hoffnung auf Konsens schwand. Ein Fiasko kündigte sich an.

Dabei hatte sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) gerade noch zuversichtlich geäußert, dass das Papier die Zustimmung der 193 Teilnehmerstaaten finden werde. "Es wird nicht mehr verwässert werden, davon bin ich überzeugt", sagte er in den ARD-Tagesthemen. "Wir haben gekämpft und gerungen." Und dabei fiel auch den Europäern die Zustimmung schwer, denn die USA und China blieben verbindliche Ziele zur deutlichen Reduktion ihrer Treibhausgase schuldig.

Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte "gemischte Gefühle". Bis zum Schluss hatten die Mächtigen der Welt um jedes Komma gerungen, Formulierungen abgewogen und um Details gefeilscht. Rund 130 Staats- und Regierungschefs waren nach Kopenhagen gekommen. Nun stand selbst der in einem zweitägigen Verhandlungsmarathon erreichte Minimalkompromiss infrage.

In einer dramatischen Nachtsitzung entlud sich dann bis zum Samstagmorgen der Unmut einer Reihe von kleinen Inselstaaten, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern sowie von Ölstaaten: Sie kritisierten die Verhandlungsführung der dänischen Konferenzpräsidentschaft, den Ausschluss der ärmsten Länder, die zu geringen finanziellen und CO2-Minderungszusagen der Industrienationen.

Hilflos agierender Konferenzleiter

Als undemokratisch und ungerecht lehnte zugleich der Sudanese Di-Aping den "Kopenhagen Accord" ab. Und löste helle Empörung aus, als er Klimasünder mit den Verantwortlichen des Holocausts verglich. UN-Konferenzen fassen ihre Beschlüsse in der Regel im Konsens. Doch am Samstagmorgen musste der als Konferenzleiter immer hilfloser agierende dänische Ministerpräsident Lars Loerke Rasmussen einräumen, dass das Papier nicht "beschlussfähig" sei.

Am Ende beschlossen die Gipfelteilnehmer lediglich, den Kopenhagen-Akkord zur Kenntnis zu nehmen. Dabei enthält er nur das Bekenntnis, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen und die Entwicklungsländer beim Klimaschutz zu unterstützen. Indes fehlen konkreten Angaben zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2050. Ziele bis 2020 sollen die Industriestaaten bis Ende Januar 2010 zusichern.

Als riesiges Hindernis erwiesen sich auf dem Gipfel die gegensätzlichen Positionen Chinas und der USA. Enttäuschung löste der Auftritt von US-Präsident Barack Obama aus, der keine weiteren Zusagen aus Washington mitbrachte. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao stemmte sich erfolgreich gegen einen verbindlichen Beitrag zum Klimaschutz: Nur freiwillig will sich Peking Ziele setzen. Die Verhandler aus Peking gaben sich knallhart. Mit "festgefahrenen Positionen" seien die chinesischen Gesandten in die Gesprächkreise gegangen, klagte ein Unterhändler.

Verfahrensfragen ein Problem

Zu einem entscheidenden Knackpunkte entwickelten sich in Kopenhagen Verfahrensfragen. Formell wird bei Klimakonferenzen in zwei Strängen verhandelt. Eine Arbeitgruppe verhandelt über das Kyoto-Protokoll, dem aber die USA nicht beigetreten sind. Eine zweite Gruppe umfasste auch die Vereinigten Staaten.

Alle Bemühungen, in kleinen Runden eine übergreifendes Abkommen voranzubringen, werteten arme Staaten als Versuch, das Kyoto-Protokoll auszuhebeln und damit die Reduktionsverpflichtungen der Industriestaaten zu verwässern. Die Schwellenländer wie Indien, China und Brasilien machten sich diese Sorge zunutze: Nach wie vor lehnen sie einen übergreifenden Vertrag ab, der sicherlich auch für sie bindende Klimaschutz-Vorgaben enthalten würde. Im Kyoto-Protokoll sind sie davon noch befreit, damit sie wirtschaftlich aufholen können.

Obwohl China und die rund 130 Entwicklungsländer als Gruppe der G-77 auftraten, klafften die Interessen immer deutlicher auseinander: Die ärmsten Staaten Afrikas, die am meisten unter dem Klimawandel leiden, wollten nur Geld, hieß es bisweilen. Die aufstrebende Supermacht China war vor allem damit beschäftigt, eigene bindende Klima-Verpflichtungen abzulehnen.

epd