Störungen im Betriebsablauf (Folge 12)
Fahrplanwechsel in Deutschland - das ist eine organisatorische Mammutaufgabe. Davon betroffen sind nicht nur ICEs, sondern auch der Nahverkehr, beispielsweise in Frankfurt. Doch bei aller Kritik musste unsere Autorin auch erfahren, dass es mit dem Auto oder mit Fliegern nicht gerade besser läuft.
18.12.2009
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 14. bis 18. Dezember

Montag

Nein, der 14. Dezember ist kein guter Tag für die Bahn. Fahrplanwechsel. Nichts funktioniert, und dieses Nichts kostet ab heute 1,8 Prozent mehr. Der Zug aus Brüssel, mit dem ich normalerweise von Köln nach Frankfurt fahre, hat 30 Minuten Verspätung. Der Info-Beamte schickt mich zum Bahnhof Köln-Messe-Deutz, wo angeblich um 9.45 Uhr ein ICE kommen soll. Der Bahnhof Deutz ist nicht schön bei dieser Kälte, eine einzige zugige Baustelle. Während ich mich bei minus fünf Grad unter fadenscheinigen Gründen im beheizten Kiosk rumtreibe, höre ich, dass der Zug schon 9.37 fährt, ja prima. Spurt, Schwitz, schön, dass ich gerade heute meinen Laptop nebst Netzteil mit mir rumschleppe. Abends auf dem Rückweg vom Büro zum Bahnhof das totale Chaos. U-Bahnen stauen sich im Tunnel, am Willy-Brandt-Platz kommt 15 Minuten lang keine U-Bahn. Wegen "erhöhtem Fahrgastaufkommen". Das ist ja klar vor Weihnachten. Früher nannte man das Advent.

Dienstag

Spät geworden gestern abend, denn der ICE nach Köln ist ganz ausgefallen, und der nächste hielt an jeder Milchkanne, aber nicht am Kölner Hauptbahnhof. Ich übe mich in Demut. Der Theologe, den wir letzte Woche interviewt haben, beklagte die "Subjekt-Prädikat-Struktur" des Menschen: Immer will er eine Ursache haben für das Böse an sich. Noch nicht mal Erdbeben und Tsunamis kann er hinnehmen, immer muss einer schuld sein, notfalls ein Untertier, das zu spät auf einen Bildschirm geguckt und gewarnt hat.

Daran musste ich gestern denken, als ein Mitreisender am Frankfurter Willy Brandt Platz verzweifelt in die Sprechsäule der Frankfurter Verkehrsbetriebe sprach. "Wann kommt endlich die U-Bahn zum Hauptbahnhof", wollte er wissen. Und aus der sprechenden Säule dröhnte nicht etwa eine Antwort wie "in fünf Minuten" oder "vorerst gar nicht". Sondern die sprechende Säule sagte: "Da hält sicher mal wieder jemand die U-BahnTür auf". Immer gleich einen Schuldigen finden! Subjekt-Prädikat-Struktur. Wir devoten Pendler, wir wollen gar nicht wissen, wer schuld ist. Wir wollen nur wissen, wann es weiter geht!

Mittwoch

Mein Zug von Köln nach Frankfurt ist heute pünktlich, dafür sitzt meine Kollegin im Flieger nach Wien, und der kann nicht landen wegen Glatteis. Und weil er nicht landen kann, geht ihm das Benzin aus, und drum landet er in Linz. Bloß die Interviewpartner sitzen schon in Wien. Die Fotoredakteurin, ebenfalls Kölnerin, und ich sind heute ganz pünktlich angekommen mit dem Zug in Frankfurt. Und sitzen da im warmen Büro und versuchen per Telefon rauszufinden, wo jetzt welche Flieger unsinnig über Österreich fliegen. Vielleicht ist der Mensch doch nicht geschaffen für das viele Unterwegs sein.

Donnerstag

Kein Pendeln heute, ich fahre mit dem Auto zu einem Interview in der Bundeswehrkaserne in Kerpen. War ja klar, dass es ausgerechnet heute schneit, obwohl es fast nie schneit in Köln. Es ist glatt auf der A4, es ist saukalt auf dem Kasernenhof. Die Fotografin, die ich im Auto mitnehme, hat ganz dünne Schuhe an, weil sie in Gedanken schon bei ihrer nächsten Reportage ist, deutsche Aussteiger in Patagonien. Da sind jetzt 30 Grad, und die Aussteiger leben von ihrer Hände Arbeit. Kein Geld, kein Supermarkt, nur selber gebaute Lehmhütten und organischer Anbau. Aber skypen kann man mit denen. Als ich abends meinen Kindern von den Aussteigern in Patagonien erzähle, fragen sie natürlich als erstes: "Auch keine Schule?" Leo schreibt Freitag eine Mathe-Arbeit, disproportionale Gleichungen, das versteht weder er noch ich. Ich mach ihm klar, dass wir vorerst nicht in Patagonien aussteigen werden. Dass er morgen diese Arbeit einfach hinter sich bringen muss. Dass Mathe sehr wahrscheinlich das Böse an sich ist und dass man es einfach ertragen muss.

Freitag

Ich habe heute Urlaub. Kein Pendeln, nirgends. Schönen 4. Advent!



Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de

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