Dramatik beim Weltklimagipfel: Nach einem Rückschlag bei den Verhandlungen haben Minister und Regierungschefs am Donnerstag händeringend versucht, wieder Bewegung in die Gespräche zu bringen. US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte Milliardenhilfen für Klimaschutz in Entwicklungsländern an.
Die Verhandlungen wurden am Donnerstag auf der Basis der beiden Arbeitsgruppen-Entwürfe weitergeführt, die schon am Mittwoch vorgelegt worden waren. Die Gespräche sollten, falls nötig, die Nacht hindurch fortgesetzt werden. Ziel ist, zum Abschluss des Gipfels an diesem Freitag eine Beschlussgrundlage für die mehr als 120 Staats- und Regierungschefs zu erarbeiten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält einen Erfolg beim UN-Klimagipfel trotz der verfahrenen Situation noch für möglich. "Wir müssen heute Nacht noch sehr viel arbeiten", sagte Merkel am Donnerstag der ARD in Kopenhagen. "Ich bin nicht ohne jede Hoffnung, aber es ist sehr, sehr schwierig, sehr zäh." Die Nacht zu diesem Freitag werde entscheidend sein. Die Verhandlungen mit so vielen Ländern seien extrem kompliziert. Niemand dürfe vergessen werden. "Ich glaube, dass wir es schaffen können", sagte Merkel. Sie wolle aber keine Prognose abgeben.
Merkel appelliert an Schwellenländer
Nach der grundsätzlichen Zusage der USA zu Finanzhilfen für ärmere Länder sagte sie: "Wenn es heute einen Fortschritt gegeben hat, dann war es dieser Schritt." In ihrer Rede zuvor hatte die Kanzlerin die Staatengemeinschaft gemahnt, in den nächsten 24 Stunden alles zu tun, um den Gipfel zu einem guten Ergebnis zu führen. Ein Misserfolg wäre ein "schreckliches Signal für alle, die unserer Welt im 21. Jahrhundert eine gute Zukunft geben wollen", sagte die Bundeskanzlerin in ihrer Rede vor den Vertretern von 193 Ländern.
Merkel appellierte auch an die Schwellenländer, sich in einem internationalen Abkommen verbindlich zu Klimaschutz-Maßnahmen zu verpflichten. Dabei gehe es zunächst nicht um eine Reduktion des CO2-Ausstoßes, sondern um eine Verbesserung der Energieeffizienz. Zuvor hatte Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag das Ziel bekräftigt, dass die Erderwärmung zwei Grad Celsius nicht übersteigen dürfe.
US-Präsident Barack Obama will auf jeden Fall zum UN-Klimagipfel nach Kopenhagen reisen - auch wenn die Aussichten auf eine Vereinbarung zunehmend geringer werden. Es gebe keine Änderung der Pläne, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, am Donnerstag. Er reagierte damit auf Spekulationen, Obama denke an eine Absage. "Die Taschen sind gepackt", erklärte Gibbs. Der Präsident werde versuchen, in Kopenhagen eine Vereinbarung zu erreichen.
Auf die Frage, ob eine Reise nach Kopenhagen angesichts der Möglichkeit eines Scheiterns nicht politisch riskant sei, antwortete Gibbs, nichts zu erreichen sei besser, als eine "leere Übereinkunft" zu treffen. "Es ist viel schlechter, mit einer leeren Vereinbarung zurückzukehren als mit leeren Händen", zitierten US-Medien Gibbs wörtlich.
Milliardenhilfen der USA
US-Außenministerin Hillary Clinton stellte Milliarden-Hilfen für arme Länder in Aussicht. Die USA seien bereit, bis 2020 gemeinsam mit anderen Staaten 100 Milliarden US-Dollar jährlich aufzubringen. Konkrete Zahlen zum Beitrag der USA nannte sie nicht. Die Klima-Hilfen müssten im Rahmen eines "starken Abkommens" aller großen Wirtschaftsnationen aus staatlichen und privaten Quellen mobilisiert werden. Als Empfänger nannte sie die ärmsten und die am meisten bedrohten Staaten. Der Präsident der Umweltstiftung WWF, Carter Roberts, erklärte: "Außenministerin Clintons 100-Milliarden-Dollar-Überraschung haucht den stockenden Verhandlungen neues Leben ein."
Papst Benedikt XVI. in Rom rief die Teilnehmer der Klimakonferenz auf, auf "mutmaßliche kurzfristige Vorteile zugunsten von langfristigem Nutzen für die gesamte internationale Menschenfamilie" zu verzichten. Die Politiker müssten "Mut und Opferbereitschaft" aufbringen, um die Schöpfung für künftige Generationen zu bewahren.
Zum schwierigen Verlauf der Klima-Verhandlungen sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), China habe sich die Verunsicherung der Entwicklungsländer zunutze gemacht. Die armen Staaten befürchten, dass unter der dänischen Präsidentschaft ein Abkommen angestrebt wird, dass weniger verpflichtende Ziele für Industriestaaten vorschreibt als unter dem 2012 auslaufenden Kyoto-Protokoll.