Aus dem Maschinenraum (13): Ratingen gegen Google
Die Stadt Ratingen will vom Internetkonzern Google Gebühren verlangen, wenn dieser mit seinen Kameraautos durch die Stadt fährt, um Aufnahmen für den Google-Dienst "Street View" zu erstellen.
17.12.2009
Von Michael Stein

Wir befinden uns im Jahre 2009 nach Christus. Ganz Deutschland ist von Google besetzt ... ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Rheinländern bevölkerte Stadt hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

So könnte sie anfangen, die kleine Geschichte, die vielleicht der Anfang einer größeren ist. Der Hintergrund: Die nordrhein-westfälische Stadt Ratingen will von Google Geld dafür, dass der sympathische Datensammler aus den USA mit seinen tollen Hightech-Autos durch ihre Straßen fahren und dabei Fotos machen darf. Diese Fotos sollen dann in den Dienst "Street View" eingebaut und können dann von jedermann per Internet abgerufen werden. Ist das zu fassen?

20 Euro pro Straßenkilometer – insgesamt etwa 6.200 Euro wollen diese geldgierigen Rheinländer dafür, dass das Auto da einfach nur entlang fährt und Fotos macht. So beschlossen in der Stadtratssitzung am Dienstag Abend unter dem Tagesordnungspunkt "Änderung der Sondernutzungssatzung/ Fotografieren von Straßenzügen". Die Argumentation der Stadt: Wenn wir es schon nicht verhindern können, dass Google unsere Stadt fotografiert, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen, dann wollen wir wenigstens Geld dafür haben.

Na endlich.

Jäger und Sammler

Noch ist zwar nicht bekannt, ob Google tatsächlich zahlt, dagegen klagt oder an Ratingen vielleicht einfach vorbei fährt beim Fotografieren der Welt. Aber das Thema ist in der Welt. Und das Thema heißt: Es reicht. Denn mal ganz ehrlich: Wann wollen wir denn endlich damit beginnen, uns gegen die Datensammelei zu wehren? Wann endlich fangen wir an, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie wir mit unseren Daten umgehen? Wann endlich schauen wir genau hin, was wir hier im Internet tun und wem wir welche Daten zur Verfügung stellen?

Die tun nichts, die wollen nur speichern

Und es gibt noch eine interessante Frage, die der Fall Ratingen aufwirft: Was bezahlt Google eigentlich dafür, für all diese Daten über Menschen, ihre Interessen, ihren Aufenthaltsort und die Gegend, in der sie wohnen? Für die Information, die sich aus E-Mails, Dokumenten und Produktanfragen herausziehen lässt? Bisher bezahlt Google nämlich all das, indem das Unternehmen kostenlose Anwendungen zur Verfügung stellt: Die Suchmaschine, einen E-Mail-Dienst, ein Programm zum Anschauen von Satellitenbildern, Speicherplatz für Dokumente – um nur ein paar zu nennen. Das aber macht Google nicht, um die Welt besser zu machen, sondern zum Einsammeln möglichst vieler Daten von uns allen. Und zum Geld verdienen.

Wie wir ticken

Denn schließlich ist Google ein Wirtschaftsunternehmen, das mit allem, was es tut, Gewinn erzielen will. Und genau das macht es auch: Google verkauft vielleicht – noch – keine persönlichen Daten über einzelne Menschen. Gesammelt werden sie aber schon. Im Moment verkauft Google aber in jedem Fall Daten darüber, wofür sich die Nutzer seiner Dienste interessieren, wie sie "ticken" und eben auch wo sie wohnen. Und genau für dieses Einsammeln von Daten will jetzt zum ersten Mal jemand eine echte Gegenleistung haben.

Vermutlich geht es den Ratingern gar nicht wirklich um die 6.200 Euro, sondern eher ums Prinzip. Ein Beispiel, das Schule machen sollte. Vielleicht keimt also nach den gefühlten 100 Datenskandalen in diesem Jahr, nach all den abhanden gekommenen Datensätzen endlich so etwas wie ein Bewusstsein für die schon kräftig stattfindende Datensammelei auf. Es wird höchste Zeit dafür.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.