Sein Vater las ihm oft vor, erinnert sich Fährmann. Und auch Erzählungen seiner Großmutter weckten die Fantasie des späteren Schriftstellers. "Beiden verdanke ich die Grunderfahrung, dass Geschichten wunderbar sind. Wer das nicht weiß, wird wohl kaum zum Leser".
Fährmanns Aufarbeitung von Schicksalen in der NS-Zeit
Besonders lieb, sagt der Schriftsteller, ist ihm sein Buch "Unter der Asche die Glut", das 1997 herauskam und in das er sechs Jahre Arbeit gesteckt hat. Darin erzählt er von Jugendlichen, die in der NS-Zeit in der Sturmschar der katholischen Jugend waren und sich der Hitlerjugend "total verweigerten", wie Fährmann sagt. Die Kirche habe ihnen damals Schutz versprochen unter der Bedingung, dass sie sich nicht politisch betätigen. "Die sollten vom Regime in die Sakristei zurückgedrängt werden, ließen es sich aber nicht einfach gefallen."
1935 fuhren 2.000 dieser jungen Menschen aus ganz Deutschland über Ostern nach Rom und zeigten unter europaweiter Beachtung, "dass es in Deutschland auch noch eine Jugend außer der Hitlerjugend gab", sagt Fährmann. Bei ihrer Einreise nach Deutschland wurden sie dann gedemütigt, ausgeplündert, auf "schwarze Listen" gesetzt und von beruflichem Fortkommen ausgeschlossen.
Die schriftstellerische Aufarbeitung von Schicksalen während der Zeit des Nationalsozialismus ist ein großes Thema dieses Mannes, seitdem er 1962 mit "Das Jahr der Wölfe" sein erstes Buch im Arena-Verlag veröffentlicht hatte. 1968 folgte die Erzählung "Es geschah im Nachbarhaus", die auf der wahren Geschichte eines jüdischen Händlers beruht. 1974 erschien "Kristina, vergiss nicht", die Geschichte eines deutsch-polnischen Mädchens, das in Polen als Deutsche und in Deutschland als Polin geächtet wird.
Zahlreiche Auszeichungen - aber nur ein Lieblingspreis
Fährmanns jüngster Roman, "So weit die Wolken ziehen", erinnert an die sogenannte Kinderlandverschickung ab 1943. Dazwischen sind aber auch immer wieder Kinderbücher erschienen wie "Isabella Zirkuskind", "Jakob und seine Freunde" und "Der überaus starke Willibald" von 1983, die Geschichte eines Mäuserudels, in dem sich ein Diktator etabliert, von dem sich die Mäuse schließlich befreien. Zu diesem Buch hat er rund 1.500 Leserbriefe von Kindern erhalten, die wissen wollen, wie die Geschichte weitergeht, sagt Fährmann lächelnd. Ja, er könne sich gut vorstellen, für die Willibald-Erzählung noch mal eine Fortsetzungsgeschichte zu schreiben. Den Computer möchte der Autor dabei nicht mehr missen, aber "ich schreibe alles erst mal mit der Hand. Jedenfalls alle wichtigen Stellen".
Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur für sein Gesamtwerk und dem Deutschen Jugendliteraturpreis für "Der lange Weg des Lukas B.". Die liebste Ehrung aber sei ihm der Medienpreis des Geschichtslehrerverbandes Nordrhein Westfalen im Jahr 2000 gewesen, sagt Fährmann: "Den Preis hatte vor mir noch nie ein Autor bekommen. Und ich konnte klarmachen, dass Geschichte spannend vermittelt werden kann und muss".
Zur Schriftstellerei kam er erst spät
Willi Fährmann wurde 1929 als Sohn einer Arbeiterfamilie in Duisburg geboren. Der Vater arbeitete in einer Brauerei. Da ein Teil des Lohns in Bier abgegolten wurde, trafen sich in der Fährmann'schen Wohnung Nachbarn und Bekannte gerne zu einem Plausch. Auch manches aus einer kirchlichen Bücherei aussortierte Buch kam im Tausch gegen Bier in die elterliche Wohnung. "Also Liter für Literatur", schmunzelt der Autor.
Den Krieg erlebt er als Junge, Soldat wird er nicht. 1946 beginnt er eine Maurerlehre, dann holt er die Qualifikation zum Studium nach, wird schließlich Volksschullehrer, später Schulleiter und Schulrat. Erst mit 58 Jahren macht er die Schriftstellerei zum Hauptberuf. Seit 1963 lebt er in Xanten am Niederrhein.
Erzählt hat Willi Fährmann immer gerne. Lehrern und Eltern rät der Autor mit den fröhlichen Augen, sie sollten "nicht das Erzieherische, sondern das Erzählerische in den Mittelpunkt stellen." Und wichtig ist ihm natürlich das Vorlesen, das für ihn "die kluge Schwester des Erzählens" ist. Es sei schon "eine Kunst, das Lesen zur Freude zu machen", weiß Fährmann, der seit 55 Jahren verheiratet ist und drei Kinder und sechs Enkel hat. "Wer Geschichten nicht schön findet, der wird nie lesen wollen."