Testkäufer gegen Komasäufer arbeiten erfolgreich
"Komasaufen" ist ein Stichwort, unter dem sich fast jeder etwas vorstellen kann. Das Prinzip ist einfach: Jugendliche treffen sich und trinken sich gegenseitig unter den Tisch, bis sich niemand mehr rührt. In der Vergangenheit gab es dabei schon Todesfälle - zuletzt in der Türkei, wo sich deutsche Jugendliche bei einer Klassenfahrt mit vermutlich gepanschtem Alkohol die Kante gaben. In Deutschland dürften Minderjährige eigentlich gar nicht an den hochprozentigen Stoff kommen - Testkäufer sollen das verhindern. Die umstrittene Methode zeigt Wirkung.
15.12.2009
Von Dirk Averesch

Sich am Wochenende zu betrinken, ist für viele Jugendliche völlig normal. Jeder fünfte Minderjährige besäuft sich nach einer Studie der Bundesdrogenbeauftragten bei sogenannten Koma- Partys sogar bis zur Besinnungslosigkeit. Endstation ist dann oft die Notaufnahme oder das Polizeirevier, wenn die jungen Betrunkenen randaliert oder sich geprügelt haben. Noch tut sich die Politik schwer damit, den Alkoholmissbrauch einzudämmen. Zwar haben sich Bund und Länder 2007 darauf verständigen können, sogenannte Flatrate-Partys zu verbieten, bei denen beliebig viele Getränke zu einem Fixpreis genossen werden können. Auf weitere bundesweite Maßnahmen konnten sich die Politiker aber bisher nicht einigen.

Jeder zweite Testkäufer bekommt den Alkohol

Niedersachsen wollte mehr tun, aber nicht länger warten. Schließlich ist dort die Zahl der stationären Behandlungen von Jugendlichen nach zu hohem Alkoholkonsum von 2000 bis 2008 um 207 Prozent angestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 2.600 betrunkene Minderjährige in niedersächsische Krankenhäuser gebracht - die Zahl der ambulanten Behandlungen nicht eingerechnet. Seit Herbst 2008 werden deshalb in dem Bundesland flächendeckend ausgebildete Alkohol-Testkäufer zwischen 14 und 17 Jahren losgeschickt, um Supermärkte, Kioske oder Tankstellen aufzuspüren, die illegal Schnaps an junge Menschen verkaufen. In Bremen und Bayern gibt ähnliche Programme.

Ein Blick auf die Ergebnisse der bislang mehr als 2.500 Testkäufe in Niedersachsen ist erschreckend: Bei den ersten Kontrollen im vierten Quartal 2008 ging in mehr als jedem zweiten Fall (54,5 Prozent) Hochprozentiges über die Ladentheke. Im dritten Quartal 2009 wurden immer noch in 43,9 Prozent der Fälle Verstöße festgestellt. Ladeninhaber, die wiederholt erwischt werden, müssen inzwischen mit Bußgeldern zwischen 150 und 1.500 Euro rechnen.

Gute Erfahrungen in der Schweiz

"Die aktuellen Zahlen zeigen, dass es nach wie vor richtig und wichtig ist, Testkäufe als eine Maßnahme zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes einzusetzen", sagt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). "Die derzeitige Quote von Gesetzesverstößen ist mit über 40 Prozent deutlich zu hoch und bedeutet weiterhin dringenden Handlungsbedarf." Die Landesregierung verfolgt nicht nur das Ziel, Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen einzudämmen. Sie erwartet auch, dass sich die damit in Zusammenhang stehenden Straftaten wie Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen verringern.

Gute Erfahrungen mit regelmäßigen Alkohol-Testkäufen sammelte bislang die Schweiz, wo Jugendliche seit dem Jahr 2000 verdeckt einkaufen. 2008 lag die Verstoßquote in den 15 teilnehmenden deutschsprachigen Kantonen bei 35,6 Prozent. "Die Verkäufe von Alkohol an Jugendliche nehmen nach mehrjähriger Durchführung von Alkoholtestkäufen weiterhin ab", heißt es im Abschlussbericht 2008 des Bundesamtes für Gesundheit. In Basel, Bern und Zürich tendiert die Verstoßquote aktuell gegen 25 Prozent.

Gerne würde Schünemann sein Konzept, das Polizei und Kommunen per Erlass zur Organisation von Testkäufen verpflichtet, auf die anderen Bundesländer übertragen, konnte sich damit aber auf dem Frühjahrstreffen der Innenminister nicht durchsetzen. Die Konferenz empfahl lediglich, "Testkäufe als ein im Einzelfall geeignetes Instrument auf die länderspezifische Umsetzbarkeit zu prüfen".

dpa