Guttenberg will im Amt bleiben - SPD: Er macht es sich leicht
"Auch wenn es mal stürmt, stehen bleiben": Nach diesem Motto will Verteidigungsminister zu Guttenberg die Kundus-Affäre überstehen. Die Opposition sieht seinen Stuhl indes heftig wanken.

"Auch wenn es mal stürmt, stehen bleiben. So bin ich erzogen und so will ich das auch handhaben", sagte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Sonntagabend im Fernsehsender RTL. In der ARD wies er Vorwürfe zurück, in der Affäre die Unwahrheit gesagt zu haben. Oppositionspolitiker erneuerten am Montag aber den Vorwurf, es geben Widersprüche zwischen Guttenbergs Darstellung und derjenigen des entlassenen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. In der Union wurde unterdessen der Ruf nach klareren Regeln für den Waffeneinsatz der Bundeswehr in Afghanistan lauter.

Wie viel wusste Guttenberg am 6. November?

Guttenberg sagte in der ARD, der damalige Generalinspekteur Schneiderhan habe entgegen anderslautenden Berichten "selbst klargestellt, dass mir Dokumente, Berichte und Meldungen vorenthalten wurden". Schneiderhan habe daraufhin die Konsequenzen gezogen und sei zurückgetreten. "Ich bin also bis zum 6. November weder korrekt noch umfassend informiert worden."

Schneiderhan hatte dem ARD-"Bericht aus Berlin" gesagt, Guttenberg habe alle wesentlichen Informationen zum Angriff von Kundus gekannt, als er diesen am 6. November als "militärisch angemessen" einstufte. Der NATO-Untersuchungsbericht, der Guttenberg bei Amtsantritt am 28. Oktober vorgelegen habe, enthalte diese Informationen. Guttenberg hatte seine Einschätzung erst am 3. Dezember korrigiert und den Angriff als militärisch unangemessen bezeichnet, nachdem ihm weitere Berichte vorgelegt worden waren.

"Zu viele Talkshows, zu wenig Substanz"

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin betonte im ZDF-"Morgenmagazin" diesen Widerspruch. Der Punkt werde im Bundestags-Untersuchungsausschuss, der am Mittwoch seine Arbeit aufnimmt, "sehr spannend": Falschaussagen vor dem Gremium seien strafbar. Sollten Schneiderhan und der ebenfalls entlassene Ex-Staatssekretär Peter Wichert bei ihren Aussagen bleiben, "dann ist Guttenberg nicht zu halten", sagte Trittin.

Die SPD warf Guttenberg eine zu schleppende Aufklärung vor. Der außenpolitische Sprecher Rolf Mützenich, sagte am Montag im Deutschlandfunk, Guttenberg müsse im Untersuchungsausschuss in dieser Woche klar Auskunft geben. "Ich glaube, er macht es sich etwas leicht. Er versucht, andere Verantwortliche zu benennen, ohne selbst Verantwortung tragen zu wollen", sagte Mützenich mit Blick auf Schneiderhan und Wichert. Der Minister trage wenig zur Aufklärung bei: "Zu viele Talkshows, zu wenig Substanz." Möglicherweise sei auch "die eine oder andere Aussage zu schneidig und zu voreilig" gewesen.

Gezielte Tötung von Talibankämpfern?

Entsetzt zeigte sich Mützenich über Berichte, wonach die gezielte Tötung von Talibankämpfern neue Bundeswehrstrategie sein soll. "Wir stehen vor tiefen Abgründen. Die Genfer Konventionen schließen das ganz klar aus."

In der SPD wurde die Existenz der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte KSK infrage gestellt, sollte sie den Angriff zu verantworten haben. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, sagte der "Berliner Zeitung" (Montag): "Wenn jetzt herauskäme, dass die KSK diesen Bombenangriff verantwortet, dann würde die KSK in der jetzigen Form nicht überleben. Dann hätten wir schnell die Debatte Staat im Staate." Es sei durchaus denkbar, dass die KSK den Einsatz geführt habe. Damit würde sich erklären, warum bestimmte Meldewege nicht eingehalten worden seien, warum der Befehl gebende Oberst Klein seinen Rechtsberater nicht zurate gezogen habe und warum das ISAF-Hauptquartier nicht benachrichtigt worden sei.

Union: Realität in Regeln besser abbilden

Der CSU-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag): "Es ist höchste Zeit, sich ehrlich zu machen und das Mandat so auszugestalten, dass die Bundeswehr voll handlungsfähig ist." Mit den Maßstäben des Polizeirechts lasse sich in Afghanistan wenig ausrichten. "Die Bundeswehr braucht Klarheit, dass sie Aufständische mit allen Mitteln bekämpfen und auch töten darf." Es sei den Soldaten nicht länger zumutbar, dass sie in einem kriegsähnlichen Konflikt nur zur Selbstverteidigung schießen dürften. CDU-Vize Christian Wulff sprach sich im ZDF für eine Bundestagsdebatte über die Regeln aus, die für die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gelten. Diese Konzepte müssten "die Realität abbilden, die dort vor Ort herrschen, beim Kampf gegen die Taliban".

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sieht den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zunehmend kritisch. EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Montag): "Die Bundesregierung hat immer wieder vom notwendigen zivilen Aufbau Afghanistans gesprochen, aber nun hat die Kriegslogik die völlige Dominanz gewonnen." Bisher habe die Evangelische Kirche den Afghanistan-Einsatz toleriert, "aber jetzt müssen wir uns auch als Kirche kritisch fragen, ob man nicht diesen Krieg beenden muss".

Am Wochenende waren Guttenberg und auch Merkel immer mehr in den Sog der Kundus-Affäre geraten. Die Bundeswehr soll bei dem Luftschlag vor allem die Tötung von Taliban-Führern ins Visier genommen haben - und nicht nur die Zerstörung der entführten Tankwagen. Das Bombardement soll Folge einer verschärften Einsatzstrategie sein, in die das Kanzleramt involviert gewesen sein könnte.

Die Opposition verlangt eine Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Aufklärung durch Guttenberg noch diese Woche. Bei dem vom damaligen deutschen Kundus- Kommandeur Georg Klein angeforderten US-Luftangriff waren am 4. September laut NATO-Untersuchungsbericht bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden, darunter 30 bis 40 Zivilisten.

dpa