"Der Patriarch kann sich mit keiner Bischöfin treffen"
Die Differenzen zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach der Wahl von Bischöfin Margot Käßmann zur EKD-Ratsvorsitzenden dauern an. Die russische Kirche erneuerte ihre Vorbehalte, nachdem es zuvor Signale aus Moskau für ein Einlenken gegeben hatte.

Der Leiter des Kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Erzbischof Hilarion Alfejew, bekräftigte in einem am Samstag vorab veröffentlichten Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dass seine Kirche die Ende Oktober zur EKD-Ratsvorsitzenden gewählte Margot Käßmann als Ansprechpartnerin ablehnt. "Der Patriarch kann sich mit keiner Bischöfin treffen", sagte Hilarion. Und: "Frauen können nicht in der Nachfolge der Apostel stehen."

Frauen in Ämtern für deutsche Protestanten "Selbstverständlichkeit"

EKD-Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt sagte dazu am Sonntag: "An der Ratsvorsitzenden Käßmann vorbei wird es keinen offiziellen Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche geben." Es sei "völlig absurd", wenn die russische Seite von der EKD verlange, erst deren Regeln zu übernehmen, bevor der ökumenische Dialog möglich ist, sagte Göring-Eckardt. Für die deutschen Protestanten sei es eine "pure Selbstverständlichkeit", dass Frauen im Priester- und im Bischofsamt tätig seien und auch als Laien kirchenleitende Aufgaben übernehmen, sagte die Grünen-Politikerin, die seit Mai dem Kirchenparlament der EKD als Präses vorsteht. Das müsse die russisch-orthodoxe Kirche anerkennen.

Hilarion äußerte mit Blick auf die EKD noch weitergehende Bedenken: Nach orthodoxer Auffassung die protestantischen Kirchen keine wirklichen Kirchen, sondern lediglich Gemeinschaften von Christen. "Sie rechtfertigen vom theologischen Standpunkt die Homosexualität, ja segnen gar Ehen zwischen Homosexuellen. Manche halten Abtreibung für keine Sünde", kritisierte der Hilarion, nach Patriarch Kyrill I. zweitmächtigster Mann in der russisch-orthodoxen Kirchenhierarchie.

"EKD geht Weg, der Unterschiede dramatisch vergrößert"

In einem dem epd vorliegenden Brief an Käßmann und den Auslandsbischof Martin Schindehütte hatte Hilarion zuvor geschrieben, die Entscheidung für eine Frau an der Spitze der EKD werfe die grundsätzliche Frage nach der künftigen Form der zwischenkirchlichen Kontakte auf. Die Wahl zeuge davon, dass die EKD trotz eines Dialogs über 50 Jahre einen Weg gehe, "der die Unterschiede zwischen unseren Traditionen dramatisch vergrößert", stellt Hilarion fest. Dabei müsse die russische Kirche auch die Meinung der orthodoxen Gläubigen berücksichtigen. Für sie seien Treffen und Gespräche mit einer Kirche absolut unzulässig, die eine Frau als Vorsitzende habe.

Hilarion versicherte gegenüber dem "Spiegel" jedoch, nach neuen Formen der Zusammenarbeit mit der EKD suchen zu wollen. "Ich bin zu einem Treffen mit Führern der evangelischen Kirche bereit, um die künftige Form der Kooperation zu erörtern", sagte der Erzbischof. Als sein Gegenüber aufseiten der EKD betrachtet Hilarion nach eigenen Worten Auslandsbischof Martin Schindehütte. In dem Brief an die EKD bietet er an, die neu entstandene Situation bei einem Deutschland-Besuch im kommenden Frühjahr zu erörtern.

Biblische Gründe für Akzeptanz von Frauen in hohen Ämtern

Allerdings beharrt die deutsche Seite darauf, dass die Russisch-Orthodoxen anerkennen, dass in den Kirchen der Reformation Frauen und Laien kirchenleitende Positionen einnehmen: "Insofern kann es zur EKD keine offiziellen Kontakte an der Ratsvorsitzenden vorbei geben", hatte Käßmann kürzlich in einem epd-Gespräch erklärt. Für die evangelische Kirche gebe es zum einen biblische Gründe für die Akzeptanz von Frauen in führenden kirchlichen Ämtern: "Frauen waren die ersten, die die Lehre Jesu verkündigt haben." Zum anderen gebe es theologische Gründe durch die Grundüberzeugung vom Priestertum aller Getauften.

In einem Schreiben von Käßmann und Schindehütte an Patriarch Kyrill I. kritisierte die EKD zudem, einige Vertreter des Außenamtes der russisch-orthodoxen Kirche hätten die Wahlen zum EKD-Rat in "unangemessener Weise" kommentiert. Zugleich versicherten Käßmann und Schindehütte aber, die evangelische Kirche sei weiter an einer Fortsetzung des wichtigen theologischen Dialogs "über christliche Zentralfragen" interessiert. Zudem verwiesen sie darauf, dass unterschiedliche Auffassungen über den geistlichen Dienst von Frauen in der Kirche bisher "kein Hinderungsgrund für fruchtbare zwischenkirchliche Beziehungen auf bilateraler und multilateraler Ebene" gewesen seien.

Kein "Bruch der Beziehungen"

Erzbischof Hilarion widersprach in seinem Schreiben Darstellungen russischer Medien, die von einem "Bruch der Beziehungen" mit der EKD gesprochen hätten. Er bedauerte, dass die Feierlichkeiten aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des zwischenkirchlichen Dialogs Ende November abgesagt wurden. Diese Entscheidung sei von der EKD allein und ohne jegliche Abstimmung erfolgt.

epd