Guttenberg stärkt Soldaten an der Front den Rücken
Botschaft per Blitzbesuch: Mit dem Kurztrip nach Kundus am Freitag will Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die in Afghanistan eingesetzten Soldaten in der aufgeheizten Debatte über den Luftangriff seines Rückhalts versichern.
11.12.2009
Von Kristina Dunz

Seit der von einem deutschen Oberst angeordneten Bombardierung am 4. September herrscht Verunsicherung in der Truppe, wie Soldaten immer wieder berichten. Die Kehrtwende ihres obersten Dienstherrn, der den Luftschlag kurz nach Amtsübernahme als militärisch angemessen bezeichnete und dann das Gegenteil verkündete, verschärfte die Lage noch.

Nun stellt sich Guttenberg den Soldaten der vordersten Front. In Kundus ist die Bundeswehr in ihrem derzeit gefährlichsten Einsatz. Auch während des Ministerbesuches werden Patrouillen beschossen. Doch über das Signal der Solidarität hinaus dringt kein Erkenntnisgewinn nach außen.

Offenbar keine Begründung für 180-Grad-Drehung

Aus seiner Delegation verlautet, Guttenberg habe seine 180-Grad-Drehung vor den Soldaten nicht näher begründet. Die Opposition fordert seit einer Woche von Guttenberg Klarheit darüber. Der Minister habe sich auch nicht groß zur Entschädigung der Familien ziviler Opfer des Luftschlags geäußert, heißt es sowohl von Seiten der Teilnehmer als auch des Ministeriums.

Der sonst so schlagfertige und wortgewandte CSU-Politiker vermeidet es diesmal, Journalisten mit an Bord zu nehmen. Der 38-Jährige will möglichst unbeobachtet mit den Soldaten in Kontakt kommen. Für die Medien gibt es Informationen während der Reise nur aus zweiter Hand.

Auch dies zeigt, dass Guttenberg innerhalb kürzester Zeit die Härte seines neuen Postens zu spüren bekommen hat. Nur wenige Verteidigungsminister überstanden das Amt unbeschadet. Zuletzt musste Franz Josef Jung (CDU) als Arbeitsminister gehen, weil in seinen allerletzten Tagen als Verteidigungsminister entscheidende, selbstkritische Informationen der Bundeswehr zu dem Luftangriff mit bis zu 142 Toten und Verletzten nicht aufgearbeitet wurden.

Egon Bahr: "Dieser Krieg ist nicht gewinnbar"

Unmittelbar vor seinem Abflug nach Afghanistan sitzt Guttenberg noch in der ZDF-Fernsehrunde "Maybrit Illner". Neben ihm der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer - er kritisiert scharf, dass Guttenberg den Angriff, durch den zahlreiche Menschen verbrannt seien, zunächst als militärisch angemessen bezeichnete. "Das macht mich krank", sagt Todenhöfer erregt.

In einem ARD-Interview sagt der Minister dann wenig später, Zivilisten sei "fürchterliches Leid" widerfahren. Wiedergutmachung sei in diesem Zusammenhang ein unzutreffendes Wort. Tod werde man "nie wieder gutmachen können". Guttenberg verspricht schnelle, unbürokratische Hilfe.

Noch ein Altpolitiker sitzt in der ZDF-Runde: Egon Bahr, der langjährige außenpolitische Stratege der SPD und Vertraute von Willy Brandt. Der inzwischen 87-Jährige analysiert schonungslos. Die Deutschen hätten zu Beginn des internationalen Afghanistan-Einsatzes 2002 die Illusion gehabt: "Die Amis machen die Sache mit den Waffen, und wir machen die Sache mit dem Aufbau und dem Frieden. De facto befinden wir uns aber in einem Krieg - den wir so nicht nennen. Doch dieser Krieg ist nicht gewinnbar."

Das hätten die Russen bei ihrem Krieg in Afghanistan eher erkannt als die internationale Gemeinschaft heute, sagt Bahr. Er mahnt, Politiker in Deutschland leisteten einen Eid auf die Verfassung, nicht auf die NATO. Wenn ihnen klar sei, dass sie in Afghanistan den falschen Weg gewählt hätten, müssten sie umkehren.

Auch wenn Guttenberg nach Ansicht der Opposition durch die Kundus-Affäre einen Kratzer abbekommen hat: In der Liste der wichtigsten deutschen Politiker - von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-"Politbarometer" ermittelt - steht der CSU-Mann weiter auf Platz eins, noch vor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

 

dpa