Palästinenser zwischen äußerem Druck und innerem Vakuum
Der Druck auf die Palästinenserführung wächst und sie muss in den kommenden Wochen Farbe bekennen. Nach der US-Regierung haben jetzt auch die Außenminister der Europäischen Union zur raschen Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen aufgerufen. Die Dringlichkeit mag zwar in Ramallah angekommen sein, aber die Prioritäten werden dort anders gesetzt. Vorrang hat derzeit die Rettung des eigenen politischen Systems.
10.12.2009
Von Hans Dahne

Die Palästinenser stehen vor einem politischen Vakuum. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist amtsmüde und will den Büttel hinwerfen. Seine Amtszeit sowie die Legislaturperiode des Palästinenserparlamentes laufen Ende Januar aus. Und weil alle Versuche, die beiden größten Palästinenserorganisationen - die Fatah von Abbas und die radikal-islamischen Hamas - auszusöhnen, bislang nicht gefruchtet haben, gibt es keinen Wahltermin.

Notoperation am System

Damit das gesamte System jetzt nicht kollabiert, will der PLO-Zentralrat am Dienstag kommender Woche eine Notoperation einleiten. Die Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ist ein Dachverband mehrerer Palästinensergruppen. Die Hamas gehört nicht dazu. Die PLO handelt unter anderem Abkommen mit Israel aus.

Hinter den Kulissen wird derzeit in Ramallah noch gestritten, aber erste Trends zeichnen sich ab. "Aller Voraussicht nach wird der Status quo gewahrt. Der Zentralrat wird die Amtszeiten von Präsident und Parlament für eine gewisse Frist verlängern, wahrscheinlich bis zum 28. Juni, wie es in dem ägyptischen Aussöhnungsvertrag vorgesehen ist", sagt der politische Kommentator Muhannad Abdul Hamid.

"Abbas hat nicht die Absicht, Probleme zu machen"

Und was wird aus Palästinenserpräsident Abbas? Der 74-Jährige macht nach dem geballten Zuspruch von vielen Politikern weltweit nicht den Eindruck, als ob er am Dienstag den Dienst quittieren würde. "Abbas hat im engsten Kreis, aber auch schon öffentlich gesagt, dass er sein Amt erst verlassen wird, wenn ein anderer es übernimmt. Er hat nicht die Absicht, Probleme zu machen", sagt Hamid.

Mit Spannung wird auch erwartet, welche Signale der Palästinenserrat zu den seit einem Jahr unterbrochenen Friedensgesprächen mit Israel aussendet. Die Palästinenser fordern vor einer Fortsetzung der Verhandlungen bislang von Israel einen vollständigen Baustopp in allen Siedlungen im Westjordanland sowie im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems. Die israelische Regierung hat den Wohnungsbau jedoch nur im Westjordanland für zehn Monate gestoppt, allerdings werden 3000 Wohneinheiten noch fertig gebaut.

Aufgebrachte Gemüter

Das zweite Streitthema betrifft die Art und Weise der Verhandlungen. Die Palästinenserführung hegt tiefes Misstrauen. Sie fragt sich, ob die rechtsgerichtete und siedlerfreundliche Regierung in Israel wirklich ernsthaft über alle Kernprobleme des Nahost-Konfliktes sowie einen Palästinenserstaat verhandeln oder nur Zeit schinden will. Die US-Regierung und jetzt auch die EU-Außenminister haben den Palästinensern in gewisser Weise den Rücken gestärkt. Alles gehöre auf den Tisch und beide Seiten sollten sich auf einen Zeitrahmen für Verhandlungen verständigen, lautet die Botschaft.

Die Frage ist nur, ob damit die aufgebrachten Gemüter besänftigt werden. Der PLO-Zentralrat könnte kommende Woche durchaus eine radikalere Position einnehmen als die politische Führung, sagt Kommentator Hamid. Er könnte zu einem Ende von Friedensverhandlungen aufrufen oder den eigenen Unterhändlern Fesseln anlegen.

Klar scheint derzeit nur eins in Nahost: Das Jahre 2009 wird so zu Ende gehe, wie es begonnen hat - nämlich ohne Friedensverhandlungen. Der US-Nahost-Gesandte George Mitchell wird erst nach dem Jahreswechsel wieder in der Region erwartet. Spätestens dann muss die Palästinenserführung Farbe bekennen, ob sie Verhandlungen weiter von Vorbedingungen abhängig machen und als Blockierer dastehen will.

dpa