Auf der Suche nach dem Rausch - Kinder riskieren das Würgespiel
Die 15-jährige Marie wachte nie wieder auf. Als ihre Eltern sie am 8. Mai diesen Jahres in ihrem Zimmer fanden, war ihr Körper bereits kalt. Das blonde, lebenslustige Mädchen aus Frankreich hatte sich mit seinem Judogürtel die Luft abgeschnürt. Nicht, um sich das Leben zu nehmen, sondern auf der Suche nach dem ultimativen Kick, wie sich später herausstellte.
10.12.2009
Von Ansgar Haase

Marie wurde wie schon etliche ihrer Altersgenossen zuvor Opfer des lebensgefährlichen Würgespiels, bei dem sich Kinder und Jugendliche die Luft abschnüren, um sich in einen rauschartigen Zustand zu versetzen. Auch in Deutschland soll es jetzt wieder einen Fall gegeben haben.

In Frankreich ist das gefährliche Würgen bis zum Umfallen bereits seit Jahren immer wieder ein Thema. Es trägt dort den harmlos klingenden Namen Halstuch-Spiel ("Jeu du foulard"). Jeden Monat soll in Frankreich ein junger Mensch pro Monat dabei sterben. Etliche Kinder und Jugendliche erleiden außerdem Hirnschäden, weil sie nicht wie geplant schnell wieder aus der Bewusstlosigkeit aufwachen. Besonders gefährdet sind diejenigen, die sich nicht mit Freunden, sondern alleine in die Ohnmacht befördern. "Fast alle Kinder, die gestorben sind, spielten das Spiel alleine", berichtet die US-Behörde für den Schutz der öffentlichen Gesundheit CDC. Sie hat von 1995 bis 2007 mehr als 80 solcher Todesfälle in den USA gezählt.

Eltern-Vereinigung weist auf die Gefahren hin

Nach Angaben von französischen Experten breitet sich das Phänomen seit etwa zehn Jahren an französischen Schulen aus, neuerdings auch unter Grundschülern. Waghalsige Jungen, die sich beweisen wollen, seien besonders gefährdet, sagte die Psychiaterin Marie-France Le Heuzey Ende vergangener Woche anlässlich einer internationalen Tagung in Paris. Schon Sechsjährige seien davon fasziniert, sich durch den Mangel an Sauerstoff in einen rauschähnlichen Zustand zu versetzen.

In Frankreich gibt es bereits seit knapp zehn Jahren eine Vereinigung von Eltern (APEAS), deren Kinder beim "Jeu du foulard" ums Leben kamen. Sie wollen Leben retten, indem sie andere Eltern auf die Gefahren des Spiels hinweisen. Kopfschmerzen und Ohrenschmerzen, Konzentrationsschwäche und Schläfrigkeit - all das könnten Anzeichen dafür sein, dass der Nachwuchs bei dem Spiel einen Rausch sucht, warnt die Vereinigung. Viele von ihnen wüssten nicht, welche schlimmen Folgen das haben könnte.

Experten: Verbreitung in Deutschland ungewiss

Ob der am Dienstag bekanntgewordene Tod eines 14-jährigen Gymnasiasten aus Brandenburg auf das Würgespiel zurückzuführen ist, wird sich vermutlich nicht endgültig klären lassen. Aber die Indizien sprechen eine deutliche Sprache: "Der Computer lief noch, die Anleitung für das Spielchen soll dort noch abrufbar gewesen sein", berichtet die "Märkische Allgemeine" (Mittwoch).

Wie verbreitet das Spiel in Deutschland ist, können selbst Experten nicht sagen. Kommentare von jungen Internet-Nutzern lassen aber darauf schließen, dass es nicht nur wenige Einzelfälle gibt. "Das ist geil, ich liebe es. War schon mal zehn Minuten ohnmächtig", schreibt beispielsweise der Besucher einer Videoplattform. "Also ich mach' es auch oft", stimmt ein anderer zu.

Dabei könnten sich nur wenige Klicks weiter die Jugendlichen über die zahlreichen Todesopfer informieren. Die französische Elternvereinigung schätzt, dass die Dunkelziffer der Todesfälle noch viel größer ist, als die Zahl der bekanntgewordenen Fälle. Etliche würden fälschlicherweise als Selbstmord gedeutet werden.

dpa