Maßnahmen wie ein Minarettverbot führten dazu, dass Menschen mit islamischem Glauben ihre Religion weiterhin in Hinterhäusern ausüben müssten, schrieb Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". Dieses Verdrängen an den "sprichwörtlichen Rand der Gesellschaft" sei der Versuch einer Ausgrenzung. Der SPD-Politiker warnte vor einer negativen Sicht auf Muslime und den Islam, die auch in Deutschland verbreitet sei. "Der Islam ist keine politische Ideologie, sondern eine friedliche Religion. Das lehrt der Koran", sagte Schröder.
Das Argument von Minarettgegnern, dass in vielen islamischen Staaten Christen verfolgt werden und der Bau von Kirchen verboten ist, ließ Schröder nicht gelten. Defizite bei der Religionsfreiheit in einigen islamischen Staaten könnten nicht als Begründung für eine Einschränkung von Rechten in Deutschland dienen. Die Schweizer hatten sich in einer Volksabstimmung Ende November mehrheitlich für ein Verbot von Minaretten ausgesprochen. In dem Land gibt es vier islamische Gebetstürme. Die Errichtung von Moscheen soll dagegen erlaubt bleiben.
Käßmann: Keine architektonischen Kampfansagen
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sagte, über den Bau von Moscheen und deren Form entschieden zunächst die Religionsgemeinschaft und an zweiter Stelle die Nachbarn, mit denen es Gespräche geben müsse. "Ich glaube nicht, dass man Kampfansagen architektonisch in die Welt setzen kann. Das wird nicht möglich sein", erklärte die Ratsvorsitzende in der Sendung "Kamingespräch" des Dokumentationskanals Phoenix. Die Sendung wird am Sonntag um 13 Uhr ausgestrahlt.
Zugleich forderte Käßmann die Freiheit der Religionsausübung als Menschenrecht weltweit ein. Von muslimischen Gesprächspartnern wünsche sie sich, dass diese wie die Kirchen in Deutschland für die Religionsfreiheit in allen anderen Ländern einträten. Dies sei auch immer ein Thema beim EU-Beitritt der Türkei. "Dort gibt es keine Religionsfreiheit für Christen", so die hannoversche Landesbischöfin. Die EKD will am 28. Februar 2010 erstmals einen "Tag der verfolgten Christen" veranstalten.
Publizist de Weck: Aberwitzige Entscheidung
Der Schweizer Publizist Roger de Weck sagte der Berliner "tageszeitung" (Mittwoch), er habe sich nicht vorstellen können, dass sein "Volk diese aberwitzige Entscheidung trifft". Die Schweiz habe keine schwerwiegenden Probleme mit ihren Muslimen. "Sie sind gut integriert, eine Parallelgesellschaft gibt es nicht, die muslimische Gemeinde ist maßvoll und konstruktiv", so de Weck. Mit dem Votum sei kein Problem gelöst, sondern eines geschaffen worden. Das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen. An der Abstimmung hatten sich 2,7 Millionen der gut sechs Millionen Schweizer Bürger beteiligt, 1,5 Millionen votierten für das Verbot.
Die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften begrüßte dagegen das Ergebnis des Volksentscheides. Das Nein zu den Minaretten sei nicht als Zeichen religiöser Intoleranz zu verstehen, als das es vielfach von Politikern, Kirchenleuten und Journalisten diffamiert worden sei, erklärte der Präsident der Organisation, Ulrich Rüß (65), in Hamburg. Vielmehr sei es "ein Nein zum politischen Machtanspruch des Islam" und "ein Nein zur Überfremdung der christlich-abendländischen Kultur", so der Ruhestandspastor. Die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften ist ein Zusammenschluss theologisch konservativer Protestanten aus Europa und Südafrika.
Es sei abwegig, den Schweizern religiöse Intoleranz zu unterstellen, sagte Rüß weiter. Wer die "nachvollziehbaren Ängste" der Schweizer als Zeichen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Beschneidung der Religionsfreiheit darstelle, gehe von einem "trügerischen Idealbild des Islam" aus. Dies zeuge jedoch von Unkenntnis des "theokratischen Wesens des Islam" mit seiner "Vorstellung vom Gottesstaat".