Trümmer, Tränen, Wahlkampf: Bombenserie in Bagdad
Für die 40 Schulkinder sollte es ein unbeschwerter Tag werden. Beim ersten Puppentheater-Festival der Nachkriegszeit im Kinderkulturhaus von Bagdad wollten sie die Sorgen des Alltags in einer von Terror und Gewaltkriminalität geplagten Stadt vergessen. "Meine Zähne tun mir weh", hieß das Theaterstück. Doch kaum hatte die Vorstellung begonnen, hörten die kleinen Zuschauer einen lauten Knall. Die Scheiben des Kulturhaus zersprangen. Splitter flogen durch den Raum. Blut floss.
08.12.2009
Von Anne-Beatrice Clasmann

Die Kinder saßen plötzlich inmitten einer Staubwolke. "Es knallte so laut, dass ich dachte, die Bombe wäre nicht draußen, sondern mitten im Saal explodiert", erklärt die Asmaa (8), die direkt vor der Bühne gesessen hatte, verängstigt. "Die Explosion war so heftig, dass sofort Panik ausbrach", sagt Ghadier Mahdi, eine Mitarbeiterin des Kulturhauses: "Ich fühlte mich an die Zeit erinnert, als ständig überall Bomben explodierten."

Die von einem Selbstmordattentäter gezündete Autobombe, die etwa 100 Meter von dem Kinderkulturhaus neben einem Gerichtsgebäude und einem Kunstinstitut explodierte, ist einer von insgesamt fünf Sprengsätzen, die an diesem sonnigen Herbsttag in Bagdad Tod und Schmerzen bringen. Alle Bomben explodieren neben öffentlichen Gebäuden, die Angaben zur Zahl der Todesopfer schwankt noch Stunden später zwischen 112 und 127. Rund 450 Menschen sollen zudem verletzt worden sein.

Einigung über Wahlgesetz: Hoffnung weggebombt

Durch den neuerlichen Bombenterror gerät die Erleichterung darüber, dass sich die Politiker Sonntagnacht nach Wochen voller Streit und Geschacher endlich auf ein Wahlgesetz geeinigt hatten, schon fast wieder in Vergessenheit. Mit den Wahlen verbindet sich für die Iraker die Chance, Politiker abzuwählen, die als unfähig oder korrupt gelten. Als am Tag des Blutbads in Bagdad der 6. März als Wahltermin verkündet wird, nimmt davon jedoch kaum noch jemand Notiz. Überall auf den Straßen sieht man Beamte, die um ihr Leben rennen. Sie haben Angst, dass auch vor ihrer Behörde noch ein Sprengsatz detonieren könnte.

Anders als bei früheren Anschlagserien suchen viele Politiker die Schuld diesmal nicht alleine bei den Terroristen und ihren mutmaßlichen Hintermännern im Ausland. Ihre Wut richtet sich jetzt, wo sich die US-Soldaten auf ihre Stützpunkte außerhalb der Städte zurückgezogen haben, auch verstärkt gegen die Polizei und den Geheimdienst. Der Führungsriege der irakischen Sicherheitskräfte werfen sie Unfähigkeit und Korruption vor.

Unterstützen korrupte Sicherheitskräfte die Terroristen?

"Ich glaube, dass zunächst einmal einige Kommandeure ausgetauscht werden müssen. Außerdem brauchen wir neue Strategien, um Sicherheit zu schaffen", erklärt der Vorsitzende des parlamentarischen Sicherheitskomitees, Hadi al-Amriri. Der ehemalige Öl-Minister Ibrahim Bahr al-Ulum geht in seiner Kritik an den Sicherheitskräften noch einen Schritt weiter: "Die Terrorgruppen erhalten doch ganz offensichtlich logistische Unterstützung von korrupten Angehörigen der Sicherheitskräfte, gegen die man jetzt unbedingt vorgehen muss."

Den Kommentaren einiger Politiker ist auch schon deutlich anzumerken, dass im Irak jetzt inoffiziell der Wahlkampf begonnen hat. "Diese Explosionen haben genau wie frühere Anschläge gezeigt, dass die Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, für Sicherheit in Bagdad zu sorgen, und obwohl sich diese Explosionen immer wiederholen, zieht die Regierung die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft", erklärt der einflussreiche sunnitische Abgeordnete Osama al-Nudschaifi, der bei der Wahl mit einer Allianz antreten will, der auch säkulare Schiiten angehören.

dpa