Adventsserie (6): Die Rache ist mein, spricht der Herr
Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" beginnt mit der Ankunft eines Fremden. Er bringt eine Geschichte mit - seine Geschichte. Als Junge ist ihm ein Unrecht geschehen. Jetzt will er Rache.
08.12.2009
Von Sabine Horst

In der Gegend ist wirklich der Hund begraben. Prärie, Wüste oder irgendwas dazwischen. Man hört eine Fliege summen, das Quietschen eines Windrads. Drei Männer warten auf den Zug. Sie haben nichts Gutes im Sinn, das sieht man an ihren Augen. Aber man freut sich ja hier über jeden, der mal vorbeischaut. Irgendwann spuckt die staubige Eisenbahn dann einen Mann aus, der einen Hut trägt und eine Reisetasche.

Auf seiner Mundharmonika spielt er eine zerrende, sehnsüchtige kleine Melodie. Die werden wir noch öfter hören in diesem Film. Die Ankunft des Fremden in Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod", eine archetypische Szene des Westerns und eine der berühmtesten im Kino überhaupt, scheint der Beginn einer Geschichte zu sein. Tatsächlich aber bringt der Fremde bereits eine Geschichte mit. So wie die Gleise am Bahnhof in zwei Richtungen verlaufen, so erzählt sich auch der Film zugleich nach vorne und hinten. Wir erfahren, dass ein Unrecht geschehen ist, als der Mann mit der Mundharmonika noch ein Junge war.

Seitdem hat er eine Mission. In der Gegenwart wird sie sich erfüllen. Er wird Rache nehmen, den Schurken stellen in dieser öden Gegend, die sich selbst im Übergang befindet: zwischen Chaos und Ordnung, Wildnis und Zivilisation. Am Ende sind die Bösen tot, der Fremde hat Recht geschaffen. Deshalb können die anderen, die der Eisenbahn gefolgt sind, nun in Ruhe eine Stadt aufbauen. Der Held aber hat keinen Grund mehr zu bleiben. "Gotta go", sagt er. "Ich muss weg." Vielleicht kommt er irgendwann wieder. Wahrscheinlich ist es nicht. Jede Ankunft hat jedenfalls eine Herkunft. Und eine Zukunft. Die liegt am Horizont. Da reitet er jetzt hin. Abblenden.

Dieser Text ist in chrismon erschienen.