Für "großen Mut": Herta Müller nimmt Nobelpreis entgegen
Der Literaturnobelpreis für "großen Mut" beim Widerstand gegen die Diktatur mit Wörtern: Die deutsch-rumänische Schriftstellerin Herta Müller hat den Literaturpreis in Empfang genommen.

Schwedens König Carl XVI. Gustaf überreichte bei einer feierlichen Zeremonie im Stockholmer Konzerthaus die begehrteste Auszeichnung für Literaten an die 56-jährige Schriftstellerin. Dabei hob der Sprecher der Jury, Anders Olsson, die Konsequenz heraus, mit der sich die seit 1987 in Berlin lebende Autorin gegen die Unterdrückung in der kommunistischen Diktatur ihres Geburtslandes Rumänien gewehrt hat: "Sie haben großen Mut gehabt und provinzieller Unterdrückung und politischem Terror kompromisslos Widerstand geleistet."

"Für den künstlerischen Gehalt des Widerstands"

Müller bekomme den Nobelpreis "für den künstlerischen Gehalt dieses Widerstands", sagte der Vertreter der Schwedischen Akademie weiter. "In ihrer Prosa findet sich eine sprachliche Energie, die uns von Beginn an mit einbezieht. Es steht etwas auf dem Spiel, bei dem es um Leben und Tod geht." Mit Müller wird der Literaturnobelpreis zum dritten Mal in den vergangenen zehn Jahren für deutschsprachige Werke vergeben. 1999 erhielt ihn der bei Lübeck lebende Günter Grass (82) und 2004 die Wienerin Elfriede Jelinek (63).

Zusammen mit Müller bekamen weitere elf Nobelpreisträger für Medizin, Physik, Chemie und Wirtschaftswissenschaft ihre Auszeichnungen. In Oslo hatte US-Präsident Barack Obama wenige Stunden zuvor den Friedensnobelpreis in Empfang genommen. Die Dotierung beträgt jeweils umgerechnet 950 000 Euro (10 Millionen Kronen).

In seiner Laudatio auf die bis 1987 in Rumänien als Angehörige der deutsche Banater-Minderheit lebende Müller sagte der Juror Olsson weiter: "Ihr Werk ist ein Kampf, der weitergeht und weitergehen muss, eine Form des unwiderruflichen Gegen-Exils."

Geheimdienst-Anwerbungsversuchen widerstanden

In ihrer Nobelvorlesung Anfang der Woche hatte die Preisträgerin davon berichtet, wie sie Anwerbungsversuchen des rumänischen Geheimdienstes Securitate widerstanden hatte und danach erbarmungslos isoliert wurde. In ihrem jüngsten Roman "Atemschaukel" verarbeitet Müller die Erfahrungen ihres 2006 gestorbenen Landsmannes und Schriftstellerkollegen Oskar Pastior als hungernder Deportierter im Gulag der Stalin-Ära. Dieses Wek sei geprägt von "unendlicher Einfühlung und dem unsentimentalem Blick" der Preisträgerin, sagte Olsson in seiner Rede.

Er fuhr fort: "Sie haben uns Wörter gegeben, die uns unmittelbar und tief ergreifen." Die Autorin selbst ergriff entsprechend den Traditionen der Nobelpreis-Verleihungen nicht das Wort. Ungewöhnlich fiel die Zusammensetzung der zwölf gemeinsam im Halbrund platzierten Preisträger aus: Mit fünf Preisträgerinnen war der Frauenanteil so hoch wie nie zuvor seit der ersten Verleihung 1901. Herta Müller erhielt den Literaturnobelpreis als zwölfte Frau.

Für das anschließende Festbankett mit der schwedischen Königsfamilie im Stockholmer Rathaus hatte sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle mit seinem Lebensgefährten Michael Mronz angekündigt. Die Veranstaltung mit Frackzwang für männliche Teilnehmer, Damen in großer Abendrobe und Tanz im Ballsaal gilt als festlicher Höhepunkt der Nobelveranstaltungen in Stockholm.

dpa