Sabine K. strahlt Ruhe aus, wenn sie von ihrem neuen Glauben spricht: "Er gibt mir Halt und macht mich glücklich." Sie vermisse weder das Plätzchenbacken, noch das Wichteln oder den Adventskranz. "Ich habe jetzt ja Ersatz", sagt sie und schwärmt vom Mitte September gefeierten Zuckerfest, dem Abschluss des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Neben dem islamischen Opferfest, das auch auf Abraham zurückgeht, ist das Fastenbrechen das wichtigste Fest der Muslime.
"Mit Milch und Datteln" hat Sabine es eingeläutet, ganz traditionell, wie es der Überlieferung nach schon der Prophet Mohammed getan hat. Ihren Eltern fällt es schwer zu verstehen, dass ihre Tochter jetzt keinen Schweinebraten mehr zu Weihnachten mit ihnen isst und auch den Rotwein meidet. "Doch ich würde mich sonst wie eine Verräterin an meinem Glauben fühlen", sagt die Konvertitin.
Vielfalt religiöser Bräuche
Die verschleierte Ayla Nazur aus Dortmund ist nach eigenen Worten eine sehr gläubige Muslimin. Und doch hat die 23-Jährige schon oft Weihnachtslieder gesungen. Zimtsterne backen könne sie auch. In der Schule hat Nazur, deren Eltern aus der Türkei kommen, viele christliche Weihnachtsbräuche kennen und schätzen gelernt. "Mein Vater hat mir früher immer gesagt, nimm mit, was kommt, nur verlier deinen Glauben nicht," erzählt Nazur.
Die Maschinenbaustudentin hat sich schon immer für die deutsche Kultur, das Christentum und seine Feste interessiert. "Wenn man in einem anderen Land lebt, macht man das so", findet Nazur. Sie schätzt sich glücklich, in einer sehr toleranten Familie groß geworden zu sein: "In anderen muslimischen Familien dürfen die Kinder keine Weihnachtsgeschenke annehmen."
36 Prozent der rund vier Millionen Muslime in Deutschland schätzen sich selbst als stark gläubig ein. Weitere 50 Prozent geben an, eher gläubig zu sein, wie aus der im Juni erschienenen Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervorgeht. Die repräsentativen Daten zeigen jedoch auch, dass es beim Beten, dem Feiern religiöser Feste, dem Beachten von Speisevorschriften sowie beim Fasten große Unterschiede je nach Herkunftsregion gibt.
Ali schmückt mit Leidenschaft Weihnachtsbäume
Rund 98 Prozent der Muslime in Deutschland leben in den alten Bundesländern einschließlich Berlin. Der höchste Anteil, ein Drittel von ihnen, ist in Nordrhein-Westfalen zu finden. Die Bochumer Erzieherin Anita Wege, die dort schon seit Jahrzehnte in einer Kita arbeitet, kann davon berichten: "In meiner Gruppe sind 20 Kinder, davon vier Deutsche."
Sie hat schon mit vielen muslimischen Kindern und deren Eltern Weihnachten gefeiert: "Ich habe wirklich durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die Eltern sind interessiert und offen." Natürlich äßen diese in der Ramadan-Zeit keine Plätzchen, doch die deutschen Bräuche würden akzeptiert. Die Pädagogin erklärt den christlichen Kindern auch die muslimischen Feste. Und zu deren Opferfest, an dem es immer viele Geschenke gibt, erhält sie oft ein Präsent von den muslimischen Kindern.
Der 13-jährige Ali aus Bochum, dessen muslimische Eltern keinen Weihnachtsbaum bei sich zu Hause aufstellen, schmückt mit großer Leidenschaft den Baum seiner Schulklasse: Lila Lametta, lila Lichterketten und lila Kugeln lassen die Zweige fast durchbrechen. Alis Mitschüler lassen ihn großzügig gewähren. Er hat ihnen erklärt: "Geschenke kriege ich auch in der Türkei, aber keinen so schönen, glitzernden Baum."