"Gletscherblut", Montag, 7. Dezember, 20.15 Uhr im ZDF
Vermutlich liegt es in der Natur des Genres: Heimatfilme mögen ihre heiteren Momente haben, aber Selbstironie ist ihnen fremd. Dabei gibt es einen Moment in dieser Geschichte, der schreit geradezu nach Ironie: Als der Gletscher dem Titel entsprechend tatsächlich zu bluten scheint, sind die alten Frauen im Ort überzeugt, es handele sich um ein Mysterium. Tatsächlich ist das vermeintliche Blut gefärbtes Wasser und geht auf eine Idee des örtlichen Glaziologen Carlo Bonatti (Tim Bergmann).
Der Eisexperte befürchtet eine Katastrophe: Oben schmilzt der Gletscher, aber unten kommt kein Schmelzwasser raus. Irgendwo in der Mitte muss sich also eine gigantische Wassertasche gebildet haben. Schon jetzt schießen immer wieder mal unvermittelt Fontänen in die Höhe. Wenn das Eis irgendwann dem Druck nachgibt, wird das Wasser in Form einer sintflutartigen Welle zu Tal brausen und den Tiroler Ort Gremms unter sich begraben. Mit der Einfärbung des Wassers oben im Gletschersee will Bonatti seine Theorie beweisen, und tatsächlich tritt es bald darauf Hunderte Meter tiefer wieder zu Tage.
Die Bedrohung ist also offenkundig, aber Bürgermeister Hirtner (Günther Maria Halmer) wiegelt trotzdem ab: Er will auf dem vermeintlich sicheren Gletscher ein riesiges Hotel errichten und den darbendem Ort damit auch im Sommer vom Tourismus profitieren lassen. Da Hirtners Tochter Lisa zudem Bonattis Frau ist, hat der Eismann nun gleich zwei Probleme. Genau genommen sind es drei, denn sein ewiger Rivale um Lisas Gunst ist nach Gremms zurückgekehrt, und prompt funkt es wieder zwischen den beiden. Allerdings ist Marcus (Thomas Unger) auch Berufstaucher und damit genau der richtige, um Carlos verwegenen Plan umzusetzen: Wenn es gelingt, den Gletscher gezielt zu sprengen, könnte die Katastrophe verhindert werden.
Das Drehbuch stammt von Claudia Kaufmann, umgesetzt hat es Thomas Kronthaler (beide waren auch gemeinsam für "Plötzlich Opa" verantwortlich, ebenfalls mit Halmer). Und weil "Gletscherblut" weitaus weniger kosten durfte als die zu Jahresbeginn für RTL zu Tal gedonnerte "Jahrhundertlawine", ist dies ein Katastrophenfilm ohne Katastrophe. Dafür gibt es um so mehr Drama; unter anderem entpuppen sich die beiden Streithähne am Ende als Halbbrüder. Das Alpenpanorama ist erwartungsgemäß überwältigend (Kamera: Christof Oefelein), die Unterwasserbilder (Stefan Baur) sind zwar im Studio entstanden, aber ebenfalls imposant, und zumindest für Ohren außerhalb Bayerns klingt Bergmanns Dialekt ziemlich überzeugend. Thomas Unger schließlich, in Hauptrollen bislang eher selten besetzt, empfiehlt sich für höhere Aufgaben.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).