Weihnachtsmannfreie Zone - gibt es das überhaupt noch?
Weshalb scheint gegen den Mann in Rot kein Kraut gewachsen? Weil er alles, was sich in Europa auseinanderentwickelte, wieder in sich vereint -und das vor allem marktgerecht.
04.12.2009
Von Georg Klein

“Nein, das ist nicht der Nikolaus, der sieht nur so ähnlich aus.“
“Nein, an Weihnachten kommt nicht der Nikolaus, das ist nur wieder dieser falsche Nikolaus, der von den Leuten, die ihre Zuckerlimo verkaufen wollen.“
“Ja, der ist überall zu sehen, aber trotzdem kommt zu Weihnachten das Christkind, der ist nur dafür da, damit die Leute mehr kaufen.“
“Der sieht so ähnlich aus wie der Nikolaus, weil das die Farbe von der Firma mit der Limo ist, der Nikolaus hat eine Bischofsmütze und einen Stab, der andere sieht so ähnlich aus weil, weil -“

Der Schaumbad-Bartträger

Viele nervtötende Gespräche mit dem eigenen Nachwuchs später bleibt die eigentliche Frage immer noch, wieso man diesem Schaumbad-Bartträger mit den ungesund roten Alkoholikerbäckchen heute einfach nicht mehr entkommen kann. Noch wichtiger wäre die Frage, wieso man schon einem Vierjährigen etwas über Funktionsweisen des Kommerzes erklären muss, obwohl man doch nur etwas über den Nikolaus und Weihnachten erzählen will. Und dabei kann man noch nicht mal selbst alles erklären, also nochmal, der sieht so ähnlich aus wie der Nikolaus wegen der Farbe von der Limo und weil? Liest man auf Wikipedia nach, erhält man zwar vielerlei Fakten, ist aber am Ende eher noch verwirrter als vorher. In Skandinavien und Russland gab es schon, eher den Winter als Weihnachten symbolisierende, ähnliche Sagengestalten, mit vermutlich vorchristlichem Ursprung. Der alte Herr fuhr immerhin schon einen Rentierschlitten und wird von Göttern wie Thor und Baldur abgeleitet. Erschwerend kommt hinzu, dass ursprünglich der Nikolaus generell der Mann für die Geschenke war, bevor Luther die Bescherung im Kampf gegen die Heiligenverehrung auf das Christfest verlegte. In einigen Gegenden blieb er weiterhin für die guten Gaben zuständig, in Teilen der Schweiz oder Skandinaviens zum Beispiel, in anderen nicht.

Anfällig für das eigene Erbe

Diese Unentschiedenheit brachte zwar fürs erste hübsche und unterschiedlichste regionale Traditionen hervor, sollte sich aber später bitter rächen. Es begann damit, dass die Holländer über den Ozean fuhren, New Amsterdam, das später New York hieß, gründeten und ihre Variante des Nikolaus, den Sinteklaas mitbrachten. Aus dem wurde zuerst Saint Clause und im Lauf der Zeit schließlich Santa Clause. Im wilden amerikanischen Kulturgemisch wurde selbiger schlussendlich für alles, was mit Weihnachten zu tun hat, zuständig, was angesichts des regionalen Durcheinanders im europäischen Mutterland auch kein Wunder ist.

Einige von nordischen Einwanderern und ihren Bildern und Gedichten rund um den alten Herren geprägte Jahrhunderte später war es dann soweit. Haddon Sundbloom sollte 1931 für die besagte Zuckerlimo einen Weihnachtsmann entwerfen, nahm als Modell seinen ebenfalls bei der gleichen Firma als Auslieferfahrer angestellten Freund, und prägte damit das Bild der endgültigen kulturellen Gleichschaltung Europas. Das liegt vor allem daran, dass Europa so anfällig ist für den Weihnachtsmann. All unsere schönen, aber kleinteiligen Traditionen und Figuren sind einfach nicht in der Lage, sich zusammenzutun, um der schieren Masse ihres eigenen, aus Übersee zurückgekehrten Nachfahren zu widerstehen. Der vereint nämlich marktgerecht alle möglichen ihrer Eigenschaften in sich, noch nicht mal der Schokoladenhohlkörper musste verändert werden, um ihn neu zu verpacken.

Die Rote Einheitsfront

Gleichschaltung Europas, Widerstand sinnlos, ist das nicht etwas übertrieben? Gehen Sie in ein Geschäft und versuchen einen Schokoladen-Nikolaus und keinen Weihnachtsmann zu erwerben, einen mit Bischofsmütze und Stab wohlgemerkt. Sind Sie in der Lage einen Adventskalender ohne den Mann in Rot aufzutreiben, am Ende sogar noch mit einem christlichen Motiv, so wie früher? Vermutlich sind sie schon froh, wenn es einer mit Märchenmotiven wird und ohne Pokemons.

Noch gibt es einzelne Widerstandnester, in Österreich oder der Schweiz, auch in Nürnberg hat man den Christkindlesmarkt noch nicht umbenannt. Aber eine weihnachtsmannfreie Zone gibt es höchstens noch unter besonders traditionellen Weihnachtsbäumen. Noch nicht mal da kann man garantieren in wie vielen Krippen schon der Herr mit dem Vollbart liegt, eingeschmuggelt aus dem Kinderzimmer. In dieser hoffnungslosen Lage kann man eigentlich nichts tun, als den Mann in Rot zu boykottieren, wo es nur geht, irgendwann geht auch das mal vorüber. Wer weiß wer als nächstes kommt, um die Gaben zu bringen? Vielleicht ein chinesischer Kung Fu-Opa mit längerem aber dünneren Bart und roter Zipfelmütze? Ein Wunder wäre es nicht.