Meine Woche vom 30. bis 4. Dezember
Montag
Schon wieder alles voller Polizei am Bahnhof. Ich fahre mit dem ICE nach Berlin, über Bielefeld – und dort sieht es aus, als habe Al Qaida einen Anschlag auf den Hauptbahnhof angedroht. Alles grün und blau vor Polizei. Dabei geht es gar nicht um islamischen Terror, sondern um einen deutschen Ausbrecher. Der treibt sich angeblich in Bielefeld herum. Dabei gibt es doch eine Verschwörungstheorie, die besagt, Bielefeld existiert gar nicht. Bielefeld ist die Stadt, durch die Journalisten am häufigsten fahren. Auf dem Weg nach Hannover, nach Berlin. Oder an die Uni, um einen der vielen Hurrelmänner oder Heitmeyers der Republik zu interviewen. Jedenfalls bin ich schon oft durch Bielefeld durchgefahren, aber falls es wirklich vom Erdboden verschwinden würde, ich könnte nichts davon aufmalen.
Dienstag
Dummer Ausbrecher, jetzt haben sie ihn doch gefasst. Der hat sein Handy angelassen, ja kann man denn so dämlich sein? Damit hat er zumindest ein Sozialmerkmal gemeinsam mit dem deutschen Pendler, der kann sein Handy auch nicht ausschalten. Noch nicht mal wenn er schläft im Zug, und noch nicht mal, wenn er auf die ICE-Toilette geht. Da liegt es dann, das Handy, gern mit dem wahnsinnig witzigen Klingelton "Papa, dein Handy klingelt". Der wird dann immer lauter. Bis Papa wieder vom Klo kommt, dann sind auch alle andern wach im Großraumwagen. Nein, Handy ausschalten, das geht gar nicht. Vielleicht kriegt das der Ausbrecher bei seiner Sozialprognose positiv angerechnet.
Mittwoch
Schon wieder alles voller Polizei, diesmal denn doch Islam. Zwar nicht Al Quaida, aber Milli Görüs. Ich bin mit viel banaleren Fährnissen des Lebens beschäftigt. Ich habe seit Montag zwei Mützen im Zug liegen lassen, eine am Montag, eine am Dienstag. Ich habe allerdings auch eine gefunden, aber die gefällt mir nicht. Tröstlich, dass es anderen Reisenden auch so geht. Die Kofferablage im Großraumwagen kippt so saublöd nach hinten, dass man als normalwüchsiger Mensch nicht sieht, ob da noch ein Schal liegt oder eine Mütze. Vielleicht sollte man das Book-Crossing – die Idee, dass man ein Buch abwirft und ein anderes aufnimmt – auf Wintermützen ausdehnen. Ist nur eine Frage der Hygiene.
Donnerstag
Ich bin nicht allein! Ein ICE-Reisender hat zwischen Hamburg und Rostock 8.000 Euro im Zug liegen lassen. Spendengelder! Was für ein Horror. Mir ist schon peinlich, wenn ich etwas verliere, was mir jemand zu Weihnachten geschenkt hat – meine Mütze vom FC Köln zum Beispiel. Wie schrecklich die Vorstellung, Spendengelder liegen zu lassen. Aber weil bald Weihnachten ist, folgt das Happy End auf den Fuß: Die 8.000 Euro werden entdeckt und ehrlich zurückgegeben. Meine FC-Mütze allerdings ist immer noch weg. Hat wahrscheinlich ein Bremen-Fan geklaut. Wird kalt am Wochenende im Rhein-Energie-Stadion.
Freitag
Ich muss heute Zuhause bleiben, mein Kind ist krank. Verdacht auf Schweinegrippe. Gut, ich könnte trotzdem pendeln, aber dann könnte ich auch gleich beim Robert-Koch-Institut anrufen: Hallo, Viren kommen heute mit dem ICE 629. Nein, ich bleibe zuhause und baue mit dem fiebernden Kind Adventskrippen auf, bringe die Sommerjacken in den Keller und hole die Anoraks. Ach ne, da ist sie ja, die Mütze, die ich gesucht habe. So eine Überraschung zum 2. Advent. Bleiben Sie gesund!
Über die Autorin:
Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de
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