Platzeck: Aufrichtig mit Stasi-Verstrickungen umgehen
Nach dem Wirbel um Stasi-Verstrickungen von Linkspartei-Abgeordneten hat Ministerpräsident Platzeck es als Fehler bezeichnet, Abgeordnete nicht systematisch überprüft zu haben.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Vertreter aller Fraktionen riefen zu einem aufrichtigen Umgang mit der DDR-Geschichte auf. Dass es seit 1990 keine systematische Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten gegeben habe, "war ein Fehler", sagte Platzeck in einer Sondersitzung des Landtages am Freitag in Potsdam. Der Landtag will noch im Dezember das Abgeordnetengesetz entsprechend ändern.

Die Fraktionsvorsitzende des Koalitionspartners von der Linken, Kerstin Kaiser, räumte ein: Es sei ein Vertrauensverlust entstanden, weil manche Abgeordnete ihre frühere Stasi-Tätigkeit verschwiegen hatten. "Ich bedaure das zutiefst", sagte Kaiser, die in der DDR selbst als IM für die Stasi tätig war. Die Linke müsse als "Nachfolgepartei der SED" zu ihrer Verantwortung für das Scheitern des Realsozialismus stehen und deshalb auch politische Biografien offenlegen. Eine undemokratische, diktatorische und totalitäre Herrschaft dürfe niemals akzeptiert, verherrlicht oder verharmlost werden, sagte Kaiser.

"Landtag keine Selbsthilfegruppe"

CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka kritisierte den Umgang der Linken mit den Stasi-Vorwürfen. Verstrickungen würden immer nur dann eingeräumt, wenn ein Leugnen nicht mehr möglich sei, sagte Wanka. Bisher habe sich kein einziger ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in der Linksfraktion "freiwillig geoutet". Der Landtag sei jedoch "keine Selbsthilfegruppe" für Täter, so Wanka. Die Opfer stünden viel zu selten im Mittelpunkt.

Platzeck betonte, das "dramatische Versagen" mehrerer Abgeordneter der Linken sei keine politische Krise der Landesregierung und der Koalitionsparteien, sondern eine "Krise der moralischen und der politischen Integrität einiger" Landtagsmitglieder. Der Ministerpräsident kritisierte "treibjagdartige Auswüchse" und eine "teilweise denunziatorische Art" der aktuellen Diskussionen und warf der CDU einen Missbrauch der Stasi-Vorwürfe gegen die Linkspartei vor. Eine persönliche Weiterentwicklung seit 1989 müsse auch Politikern der Linken zugestanden werden.

Die CDU müsse auch ihre eigene Vergangenheit als Blockpartei in der DDR aufarbeiten, forderte SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke. Wer Aufarbeitung instrumentalisiere, verhindere damit eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Geschichte.

Kritik an "Stasi-Enthüllungskampagne"

Kaiser sprach von einer "Stasi-Enthüllungskampagne" in den Medien und kritisierte sie als Diskreditierung des bereits geplanten demokratischen Verfahrens zur Stasi-Überprüfung der Abgeordneten. In der Berichterstattung seien Fehlinterpretationen nicht ausgeschlossen, Urteilsverkündung und -vollstreckung würden so den Medien überlassen.

Dass sich der brandenburgische Landtag einen Ruf als "Biotop für ehemalige Stasi-Aktivisten" erworben habe, sei Folge von "Versäumnissen des ganzen Hauses", kritisierte Grünen- Fraktionschef Axel Vogel. Nicht nur Verstrickungen mit der Stasi, sondern mit dem gesamten DDR-Machtapparat müssten aufgearbeitet werden, forderte er. Auch die FDP rief zur Aufklärung von Vorwürfen auf.

Die brandenburgische Koalition aus SPD und Linken steht seit Wochen wegen immer neuer Vorwürfe zu Stasi-Verstrickungen von Abgeordneten der Linken in der Kritik. Der Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann erklärte am Freitag nach anhaltender Kritik seinen Austritt aus der Landtagsfraktion der Linken. Eine weitere Abgeordnete der Linken hatte bereits zuvor ihr Landtagsmandat wegen Stasi-Vorwürfen niedergelegt.
 

epd