"Wenn Menschen einen großen Teil ihres Lebens im Internet verbringen, ist das ein Ort, wo die Kirche sein muss", sagte der evangelische Pastor Carsten Lindner am Freitag am Rande einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum (Niedersachsen) zum Thema "Sollte Gott wirklich im World-Wide-Web wohnen?" Etwa jeder vierte Nutzer interaktiver Internetwelten sei religiös interessiert. Zu einer richtigen Gemeinde gehörten allerdings die Sakramente wie das Abendmahl, betonte der Theologe: "Und die kann man nicht im Internet spenden." Das Internet sei eine Ergänzung, aber kein Ersatz.
Möglichkeiten für Senioren und Behinderte
Interessant seien die neuen Möglichkeiten jedoch vor allem für Menschen, die aufgrund räumlicher Distanz nicht am Leben einer Gemeinde teilhaben könnten. "Auch für ältere oder behinderte Menschen ergeben sich neue Möglichkeiten", sagte Lindner, der über Chancen und Grenzen der Kirche im Internet geforscht hat. So seien virtuelle Andachten im Netz ebenso denkbar wie Internet-Gesprächskreise zu speziellen theologischen Themen.
Angebote der Amtskirchen für die Nutzer von Internet-Umgebungen mit dreidimensionaler Anmutung seien bislang rar. Die erste evangelische Gemeinde in "Second Life" sei aus dem freikirchlichen Milieu heraus gegründet worden. "Die Nutzer wünschen sich, dass die verfasste Kirche ein Angebot macht", sagte Lindner. Die Nutzer religiöser Angebote im Internet sind laut Lindner häufig zwischen 30 und 39 Jahre alt: "Das ist eine Klientel, die in Ortsgemeinden nicht so stark vertreten ist." Zwei Drittel seien Mitglieder einer Kirche.