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Politische Talkshows bieten selten neue Erkenntnisse, das war auch dieser Ausgabe von "hart aber fair" der Fall. Wer die Diskussion zum Thema Minarette in den vergangenen Tagen verfolgt hat, kennt die wesentlichen Argumente beider Seiten. Bei Sendungen wie "hart aber fair" kommt es daher zumindest für den informierten Zuschauer eher darauf an, wer seine Argumente besser vorträgt und vielleicht auch, wer unterhaltsamer ist. So gesehen könnte die ARD durchaus noch einmal erwägen, ihre politischen Talksendungen in der Unterhaltung anzusiedeln.
Wenn es um gute Unterhaltung zu politischen Themen geht, ist es immer gut, wenn Michel Friedman in der Sendung sitzt. So auch diesmal. Nicht nur, dass Friedman rhetorisch brillant ist. Er ist auch ein intelligenter Entertainer. "Der Islam darf nicht mehr als das Christentum, aber mit Sicherheit auch nicht weniger", machte er gleich zu Beginn der Sendung seinen Standpunkt klar und erwähnte – fast wie nebenbei -, dass in Deutschland auch immer die Trennung von Staat und Religion/Kirche gelte, was auch ein Fingerzeig Richtung Islam war.
Köppel stimmte für Minarett-Verbot
Etwas allein auf weiter Flur war in der Runde Roger Köppel, Chefredakteur der Schweizer "Weltwoche". Er bekannte freimütig, bei der Volksabstimmung für das Verbot von Minaretten gestimmt zu haben und echauffierte sich über "die Arroganz der Aussagen in der deutschen Presse". Warum diese sich in eine demokratische Entscheidung in der Schweiz einmische, fragte Köppel und bekam gleich Contra von Friedman: "Weil wir in einer globalisierten Welt leben und es um eine Frage geht, die alle angeht: die Religionsfreiheit."
Doch nicht nur Friedman argumentierte weitgehend gegen Köppel. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland und FDP-Mitglied Aiman Mazyek kritisierten die Minarett-Entscheidung scharf. Einzig Wolfgang Bosbach (CDU) verwies im Laufe der Diskussion immer wieder darauf, dass auch die Ängste der Menschen vor dem Islam ernst genommen werden müsste; wobei er selbst bei der Volksabstimmung mit Nein gestimmt hätte, wenn er denn Schweizer wäre, sagte Bosbach.
Aber auch der CDU-Politiker wurde von seinem "Parteifreund" Friedman ausgebremst. Als Bosbach erklärte, er würde sich für Christen in islamischen Ländern die Religionsfreiheit wünschen, die Moslems in Deutschland hätten, erklärte Friedman, man müsse eben mit gutem Beispiel voran gehen. "Ich orientiere mich doch nicht an dem, der sich falsch verhält, und begründe damit mein eigenes falsches Verhalten."
Volksabstimmung ein Menschenrecht?
Sind nun Volksabstimmungen zum Thema Minarette erlaubt? Oder ist das Thema Minarett eines, das in einer Volksabstimmung nichts zu suchen hat, wie auch die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt argumentierte? Zunächst einmal sei eine Volksabstimmung ein Menschenrecht, erklärte dazu Roger Köppel. Ein Minarett hingegen sei kein Menschenrecht, da es nichts mir der direkten Religionsausübung zutun habe. Ganz anders sah dies Aiman Mazyek: "Es geht darum, dass eine Religionsgemeinschaft selbst bestimmen darf, wie ihre Gebetshäuser aussehen. Wenn das nicht erlaubt ist, ist die die Religionsfreiheit eingeschränkt. Und die Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht."
Angenehm zurückhaltend präsentierte sich Moderator Plasberg, der lediglich eingriff, als Friedman und Höhn Köppel ständig ins Wort fielen. Und auch die klassischen Einspieler, die in einigen Ausgaben zuletzt eher nervten und ebenfalls wenig Erhellendes lieferten, waren diesmal wohldosiert und fügten sich gut in die Sendung. Wie etwa eine Straßenumfrage, in der die Mehrheit der befragten Deutschen die Entscheidung der Schweizer unterstützte.
Dies deckte sich mit einer Beobachtung, die Roger Köppel in den Nutzerforen deutscher Medienseiten (u.a. Spiegel Online) gemacht haben will. Dort, so Köppel, hätten die meisten Menschen die Minarett-Entscheidung begrüßt, ganz im Gegensatz zu den in den Leitmedien veröffentlichten Kommentaren der Journalisten. "Es gibt eine Kluft zwischen der Elite und den Bürgern. Die Bürger haben ihr Menschenrecht in Anspruch genommen, anders abzustimmen, als 'die da oben'", konstatierte Köppel.
Soziale Probleme
Aiman Mazyek war es schließlich, der einen vielleicht noch zu wenig beachteten Aspekt in die Debatte einbrachte. CDU-Mann Bosbach erwähnte mehrfach auf "vorhandene Probleme" mit dem Islam. Unter anderen verwies er darauf, dass viele muslimische Eltern ihre Kinder – vor allem Töchter – nicht am staatlichen Schulunterricht teilnehmen lassen würden. (Köppel nannte an anderer Stelle noch Genitalverstümmelungen in islamischen Ländern.) Diese Beispiele, so Mazyek, hätten aber nichts mit dem Islam zu tun. Es seien vielmehr soziale oder kulturelle Probleme, vielleicht auch Probleme mangelnder Bildung. "Sie islamisieren, wo es mit dem Islam nichts zu tun hat", warf Mazyek Bosbach vor. "Natürlich gibt es ein paar Durchgeknallte, die die Religion instrumentalisieren wollen. Aber man soll doch nicht so tun, als würden alle vier Millionen Muslime in Deutschland ihre Kinder vom Sportunterricht fernhalten."
Leider versäumte es Mazyek ein wenig, wie von Friedman gefordert, Integrationsprobleme klarer zu benennen und Lösungsansätze zu bieten. Stattdessen berichtete er vor allem von den Problemen, mit denen Muslime in Deutschland konfrontiert sind. Unter anderem erwähnte Mazyek kopftuchtragende Frauen, die in Deutschland täglich angepöbelt und damit diskriminiert werden.
So zurückhaltend und klug Friedman zu Beginn der Sendung argumentierte, so sehr überdrehte er doch am Ende der Sendung ein wenig. "Wir brauchen Integration. Wir müssen Millionen Nazis integrieren, Millionen Punks. Millionen Deutsche, die unseren Werten nicht nachgehen, müssen integriert werden", schleuderte Friedman Wolfgang Bosbach entgegen, der ob dieses "rhetorischen Feuerwerks" etwas konsterniert wirkte. Als Friedman die langsame Sprechweise der Schweizer nachäffte, wurde es für einen kurzen Moment sogar ein wenig peinlich. Zuvor hatte Plasberg Friedman gebeten, er möge Köppel nicht immer ins Wort fallen, Schweizer redeten nunmal langsamer.
Was bleibt? Zum einen die Erkenntnis, dass wohl auch die meisten Zuschauer von "hart aber fair" durchaus Verständnis für die Minarett-Entscheidung haben – das jedenfalls legen die vorgetragenen Zuschauerreaktionen nahe. Zum anderen die Erkenntnis, das Aufregerthemen wie die Volksabstimmung in der Schweiz für politische Talkshows bestens geeignet sind. Nicht, weil dort besonders sachlich und differenziert diskutiert würde. Aber unterhaltsam war die Sendung sehr wohl.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de für die Ressorts Medien und Kultur