Hintergrund: Dauerhafte Lösung für geduldete Ausländer?
Bei der Herbstkonferenz der Innenminister, die von Mittwochabend bis Freitag in Bremen tagen, müssen sich Unions- und SPD-Politiker darüber verständigen, wie es beim Bleiberecht weitergeht. Sollen jene rund 31.000 Ausländer, deren "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" zum 31. Dezember abläuft, unter bestimmten Bedingungen eine Fristverlängerung erhalten? Oder soll eine dauerhafte Lösung gefunden werden?

Unter Juristen ist längst eine Debatte über das Thema in Gang. Schließlich sind die Verwaltungsgerichte in Deutschland häufig mit Bleiberechts-Fällen konfrontiert: Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber nicht abgeschoben werden konnten, deren Kinder in Deutschland geboren wurden und inzwischen erfolgreiche Schüler sind. Sie klagen auf eine Aufenthaltserlaubnis.

Es ist daher kein Zufall, dass die SPD-Innenminister in ihrer Vorlage für die Innenministerkonferenz (IMK) vorschlagen, den Geduldeten eine Aufenthaltserlaubnis zu geben, die sich ernsthaft um Arbeit bemühen oder ehrenamtlich engagieren. Denn die soziale Vernetzung der Betroffenen spielt auch juristisch eine große Rolle.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Urteilen zu vergleichbaren Fällen auf das "Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens" (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) verwiesen. Dieses Recht werde verletzt, wenn der Ausländer aus dem Land ausgewiesen werde, in dem sich seit vielen Jahren ein "Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen entwickelt hat", so ein Urteil von 2003.

Zwar stehe dem Betroffenen kein Recht auf einen bestimmten Aufenthaltstitel zu, solange er sein Privat- und Familienleben ungehindert führen könne. Zu fragen sei aber, ob das Fehlen einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis das Privat- und Familienleben durch eine "Situation der Ungewissheit und Unsicherheit" über einen längeren Zeitraum beeinträchtige. Das ist nach Auffassung einiger deutscher Juristen bei Kettenduldungen der Fall.

Jan Bergmann, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, erläutert, dass von einem "Verwurzelten" oder "faktischen Inländer" gemäß der einschlägigen EU-Richtlinien gesprochen werden kann, wenn der Geduldete in Deutschland geboren wurde oder seit mindestens fünf Jahren in Deutschland lebt. Zudem muss er gute Deutschkenntnisse vorweisen und in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben erfolgreich integriert sein. Dann bestehe ein Anspruch auf Achtung des Privatlebens, der auch nicht von vorneherein verneint werden dürfe wegen Strafbarkeit, Sozialhilfebedürftigkeit oder des Eintritts in die Volljährigkeit.

Das theoretische Fundament für eine grundlegende Überarbeitung des Bleiberechts ist gegeben. Inwieweit die Überlegungen von den Innenministern aufgegriffen werden, ist vor der IMK völlig offen.

epd