Obama fasst in seiner neuen Strategeie aber auch erstmals das Ende des Krieges ins Auge. Bereits im Sommer 2011 soll - abhängig von der Sicherheitslage vor Ort - der Rückzug der US-Soldaten beginnen. US- Medien sprachen von der wichtigsten sicherheitspolitischen Weichenstellung seit Jahren. Wenn die Truppenaufstockung im Sommer 2010 abgeschlossen sein wird, wird sich die Zahl der US-Soldaten auf rund 100.000 erhöht haben.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen begrüßte die neue Strategie der US-Regierung. Die Entscheidung Obamas, die US-Truppen in Afghanistan deutlich aufzustocken, sei "Beweis für seine Entschlossenheit", teilte Rasmussen in der Nacht zum Mittwoch in Brüssel mit. Der von Obama aufgezeigte umfassende Ansatz sei eine Strategie für einen breiten politischen Erfolg. Zugleich äußerte Rasmussen die Hoffnung, dass auch andere Verbündete ihren Anteil am Afghanistan-Einsatz ausweiten werden.
Merkel zögert
Einem Pressebericht zufolge fordern die USA auch von Deutschland eine massive Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan. Wie die "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch) unter Berufung auf Regierungsvertreter in Berlin berichtete, habe Obama um die zusätzliche Entsendung von 2.000 Bundeswehrsoldaten gebeten. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung (Mittwoch) hat sich Berlin auf Forderungen der USA nach bis zu 2.500 zusätzlichen Bundeswehrsoldaten eingestellt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag mit Blick auf eine mögliche Ausweitung des deutschen Engagements auf die internationale Afghanistan-Konferenz verwiesen, die am 28. Januar in London stattfinden soll. Erst danach werde Deutschland festlegen, "ob und gegebenenfalls was wir an zusätzlichen Anstrengungen machen", sagte die Kanzlerin.
Epizentrum des gewalttätigen Extremismus
Obama stellte bei seiner Rede unmissverständlich klar, dass er den Krieg zu einem "erfolgreichen Ende" bringen will. Die Sicherheitslage am Hindukusch sei prekär, es mangele an Fortschritte. "Afghanistan ist nicht verloren, aber es hat sich seit einigen Jahren zurückbewegt", sagte er. Das Terrornetz El Kaida habe Unterschlupf an der Grenze zu Pakistan gefunden. "Kurz gesagt: Die gegenwärtige Lage kann nicht beibehalten werden", betonte Obama.
Ausdrücklich betonte er, die Lage in Afghanistan habe nicht nur regionale Auswirkungen. "Wenn ich nicht denken würde, dass die Sicherheit der Vereinigten Staaten und des amerikanischen Volkes auf dem Spiel stünde, würde ich frohen Mutes jeden einzelnen Soldaten schon morgen nach Hause befehlen." Er habe seine Entscheidung nicht leichten Herzens getroffen. Aber die Sicherheit der USA sei in Afghanistan und in Pakistan Gefahren ausgesetzt. "Dies ist das Epizentrum des gewalttätigen Extremismus, wie ihn El Kaida praktiziert", sagte Obama.
Besonderes Gewicht legte der Präsident auf eine engere Zusammenarbeit mit Pakistan. "Wir werden die Möglichkeiten Pakistans stärken, jene Gruppen zu bekämpfen, die unsere Länder bedrohen." Eine "effektive Partnerschaft" mit dem Nachbarland Afghanistans sei eines der drei Kernelemente der neuen amerikanischen Strategie - neben den Bemühungen, die Verantwortung für die Sicherheit auf die Afghanen zu übertragen und den Aufbau ziviler Strukturen voranzutreiben.
Afghanistan soll autonom werden
Zugleich erwartet Obama weitere NATO-Truppen für Afghanistan. "Jetzt müssen wir zusammenstehen, um diesen Krieg erfolgreich zu beenden. Auf dem Spiel steht nicht einfach nur die Glaubwürdigkeit der NATO - was auf dem Spiel steht, ist die Sicherheit unserer Alliierten und die kollektive Sicherheit der Welt."
Aufgabe der neuen Soldaten sei nicht nur der Kampf gegen die radikalislamischen Taliban, sondern auch die Ausbildung der afghanischen Armee. "Sie werden unsere Anstrengungen stärken, kompetente afghanische Sicherheitskräfte zu trainieren und zu einem Partner für sie zu werden, damit mehr Afghanen als bisher am Kampf teilnehmen. Sie werden dabei helfen, die Bedingungen dafür zu schaffen, damit die Vereinigten Staaten Verantwortung an die Afghanen übertragen können."
Eindringlich rief Obama die Regierung in Kabul zu größeren Anstrengungen beim Aufbau des Landes und im Kampf gegen die Korruption auf. Kabul müsse eine verbesserte Sicherheitslage auch nutzen, forderte der Präsident. "Die Zeiten, in denen es Blankoschecks gab, sind vorbei." Korrupte und ineffektive Beamte in Kabul müssten zur Verantwortung gezogen werden. "Wir werden sehr klar machen, was wir von denen erwarten, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen."