Vor neun Jahren ist Ali Mamedov (Name geändert) mit seiner Familie nach Deutschland geflohen. In Russland bekam der Mann aus Aserbaidschan Drohbriefe, wurde beschimpft und vor seiner eigenen Haustür in Moskau niedergeschlagen. Russen sahen in ihm aufgrund seines Aussehens einen tschetschenischen Terroristen. Die Angst trieb ihn in den Westen - und ließ ihn auch in Deutschland nicht los. Denn hier waren der heute 43-Jährige und seine Familie nur geduldet, ständig von Abschiebung bedroht. In Bremen entscheiden die Innenminister der Länder ab Donnerstag (3. Dezember) darüber, ob Flüchtlinge wie Mamedov bleiben dürfen.
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Im Juni 2007 hat der Bundestag das Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge neu geregelt. Sogenannte Altfälle bekamen ein Aufenthaltsrecht, wenn sie seit mindestens acht Jahren (Alleinstehende) oder sechs Jahren (Familien mit minderjährigen Kindern) in Deutschland waren. Allerdings mussten sie nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren konnten. Wer Sozialhilfe bezog, bekam die Aufenthaltserlaubnis nur "auf Probe" und sollte sich bis Ende 2009 Arbeit mit ausreichendem Einkommen suchen, um nicht wieder in die Duldung zurückzufallen.
Bezahlte Arbeit ist bei dieser Wirtschaftslage unrealistisch
Das trifft auf bundesweit rund 31.000 Flüchtlinge zu, auch auf Mamedov. Nach dem Bundestagsbeschluss kämpft er mit mindestens zwei Problemen: Die belastende Duldungssituation, die drohende Abschiebung, das Leben auf Abruf in Deutschland, hat seine Frau in die Depression getrieben. Und auf dem Arbeitsmarkt im krisengeschüttelten Bremen sieht es schlecht für ihn aus. Jobs wurden ihm zwar versprochen. "Aber eingestellt wurde ich nicht", sagt der studierte Maschinenbauer. Nun hat er zwar eine Ausbildung in Aussicht. Aber reicht das, um weiter eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen?
Kirchen und Flüchtlingsorganisationen wie "Pro Asyl", "Jugend ohne Grenzen" und die ökumenische Ausländerarbeit "Zuflucht" plädieren für ein umfassendes Bleiberecht für Flüchtlinge. Von den Innenministern, die am Donnerstag und Freitag in Bremen zu ihrer Herbsttagung zusammenkommen, fordern sie ein Ende der Kettenduldungen und wollen dafür am Rande der Konferenz demonstrieren. "Für viele Flüchtlinge ist es auch aufgrund der schlechten Wirtschaftslage ganz unrealistisch, eine ausreichend bezahlte oder überhaupt eine Arbeit zu finden", sagt die Bremer "Zuflucht"-Geschäftsführerin Britta Ratsch-Menke.
SPD-Innenminister wollen Dauerlösung
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will den Aufenthalt "auf Probe" für diejenigen einmalig verlängern, "die sich um einen Arbeitsplatz bemühen". Wer nach Fristverlängerung seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren kann, darf bleiben - die anderen sollen abgeschoben werden. Sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) will die Regelung nur für Flüchtlinge verlängern, die "eine berechtigte Aussicht" auf Arbeit haben. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und FDP allerdings bereits auf eine allgemeine Verlängerung geeinigt, aber die Innenministerkonferenz hat das letzte Wort.
Dort werden die SPD-Innenminister wohl auf diese Einigung pochen und mehr fordern als ihre CDU-Kollegen. Sie sind für eine Dauerlösung. Nach ihrem Willen sollen alle Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, die sich nachweislich integriert haben und ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft durch Arbeit oder zumindest soziales oder ehrenamtliches Engagement leisten.
Gründe für die Flucht bestehen weiter
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Für die Betroffenen ist die unsichere Situation zusätzlich belastend. Dabei ist ihre Geschichte oft schon schwierig genug: "Zu uns kommen Leute, die haben politische Verfolgung, Folter, Kriegserlebnisse hinter sich", erläutert Psychotherapeutin Ingrid Koop vom Bremer Beratungszentrum für traumatisierte Flüchtlinge "Refugio". "Die allermeisten haben ihre Heimat zwangsweise verlassen müssen, nicht freiwillig."
Es sind Gründe, die nach den Worten von Britta Ratsch-Menke in den allermeisten Fällen fortbestehen. Mamedov jedenfalls verfolgt die Debatte vor der Innenministerkonferenz mit Herzklopfen. Und denkt jetzt wieder mehr an das, was vor seiner Haustür in Moskau passiert ist.