Tarcisio Bertone: Zweiter Mann im Vatikan wird 75
Konservativ, jovial und machtbewusst: Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der zweite Mann im Vatikan nach dem Papst, zeigt sich gern bürgernah. Als Erzbischof von Genua schwang er in einer Discothek das Tanzbein oder kommentierte Spiele seines Lieblingsfußballclubs Juventus Turin im Fernsehen. Am Mittwoch wird Bertone 75 Jahre alt.
01.12.2009
Von Bettina Gabbe

Angesichts des jüngsten Kruzifix-Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beklagte er medienwirksam: "Dieses Europa des dritten Jahrtausends nimmt uns die wertvollsten Symbole und lässt uns nur noch die Kürbisse des Halloweenfestes". Die Straßburger Richter hatten Kruzifixe in Klassenzimmern als Verstoß gegen die Religionsfreiheit verurteilt.

Bei einer Konferenz über Kirchenrecht rühmte der Kardinalstaatssekretär sich leutselig, als Student besseres zu tun gehabt zu haben, als fleißig über Büchern zu sitzen. Bei aller Jovialität weitete die rechte Hand von Papst Benedikt XVI. seit der Ernennung zum Kardinalstaatssekretär den eigenen Machtbereich stetig aus. Im Unterschied zu seinem zurückhaltenden Vorgänger Angelo Sodano wertete Bertone mit zahlreichen wichtigen Auslandsreisen etwa nach Kuba das Amt des Kardinalstaatssekretärs zu dem eines Papst-Stellvertreters auf.

Für Regierungskontakte zuständig

Innerhalb der römischen Kurie übte er nicht nur im Bereich der Vatikanmedien verstärkt Einfluss aus. Im Rahmen des Skandals um den Ex-Chefredakteur der Tageszeitung der italienischen Bischöfe, "Avvenire", zog er die Kompetenz für den Kontakt zur italienischen Regierung an sich. Dino Boffo trat nach Berichten der im Besitz der Familie des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi befindlichen Tageszeitung "Il Giornale" über seine angebliche Homosexualität zurück. Im Streit zwischen Italienischer Bischofskonferenz und Regierung erklärte Bertone, die Beziehungen des Episkopats zu den Behörden unterstünden fortan dem vatikanischen Staatssekretariat, dem er persönlich vorsteht.

Papst Benedikt XVI. hatte den damaligen Erzbischof 2006 zum Kardinalstaatssekretär ernannt. Dieser hatte ihm zuvor sieben Jahre lang als Sekretär und damit zweiter Mann in der Glaubenskongregation bei wichtigen Entscheidungen etwa über den Umgang mit dem Missbrauchsskandal in der US-Kirche und der Veröffentlichung des Dokuments "Dominus Iesus" zur Seite gestanden. Bertone erwies sich dabei als treuer Diener des obersten Glaubenshüters, der mit dem Schreiben durch die Abwertung anderer Kirchen für Irritationen sorgte. Mit großem Verhandlungsgeschick bereitete er dagegen die zeitweise Rückkehr des abtrünnigen Bischofs Emmanuel Milingo nach Rom vor.

Zum Camerlengo ernannt

Benedikt XVI. demonstrierte anhaltendes Vertrauen seinem ehemaligen Sekretär gegenüber, indem er den Salesianer 2007 auch zum Camerlengo ernannte. Dieser übernimmt zwischen dem Tod eines Papstes und der Wahl des Nachfolgers formal die Leitung der katholischen Kirche. Bertone wurde 1934 in Romano Canavese bei Turin als fünftes von acht Kindern geboren. Der als theologisch streng konservativ geltende Salesianer studierte Moraltheologie und Kirchenrecht. Vorwürfe, nach denen Benedikt sich von den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) abwende, weist er vehement zurück. "Ergüsse und Gerüchte über angebliche rückwärtsgewandte Dokumente", die im Vatikan etwa über eine Modifizierung der Liturgiereform in Arbeit sein sollen, bezeichnet er als "reine Erfindung und ständig wiederaufgewärmtes Klischee".

epd