Der lange Weg bis zum Prozess gegen Demjanjuk
Der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk muss sich in München vor Gericht verantworten. Es ist nicht der erste Prozess gegen den heute 89-Jährigen. Ein Rückblick.

Der Ukrainer gerät 1942 als Sowjetsoldat in deutsche Kriegsgefangenschaft. Den Ermittlungen zufolge entscheidet er sich zur Kooperation mit den Nazis und wird als "Trawniki" (einheimischer "Hilfswilliger") Aufseher im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen. Im Oktober 1943 wird er in das bayerische KZ Flossenbürg abkommandiert - so die Angaben der heutigen KZ-Gedenkstätte - und ist dort bis Dezember 1944 Wachmann mit der Dienstnummer 1393. Nach dem Krieg lebt Demjanjuk an verschiedenen Orten, bevor er Anfang der 1950er Jahre in die USA einwandern kann.

1988 in Israel zum Tode verurteilt

Aufgrund einer Mitte der 1970er Jahre von Sowjetbehörden an die USA übersandten Liste mit den Namen von 70 angeblich in den Vereinigten Staaten lebenden mutmaßlichen NS-Verbrechern befasst sich die amerikanische Justiz mit ihm. Bei weiteren Recherchen glauben Überlebende des Todeslagers Treblinka, in ihm den Gaskammerwärter "Iwan den Schrecklichen" wiederzuerkennen. Wegen falscher Angaben über seine Vergangenheit bei der Einreise wird ihm 1981 die US- Staatsbürgerschaft aberkannt.

Im Februar 1986 liefert ihn die US-Regierung an Israel aus. Ein Jahr später beginnt dort sein Prozess. Er endet am 25. April 1988 mit einem Todesurteil wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 800.000 Juden und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie das jüdische Volk. Er bestreitet bis zuletzt, jemals KZ-Wächter gewesen zu sein und bezeichnet sich als Opfer einer Verwechslung.

Nach der Verurteilung tauchen Beweise auf, die Zweifel an seiner Identität erhärten. Am 29. Juli 1993 hebt das Oberste Gericht Israels das Todesurteil auf. Demjanjuk kehrt in die USA zurück, wo er als Staatenloser bei seiner Familie in Seven Hills bei Cleveland im Bundesstaat Ohio lebt.

Erneute Auslieferung 2009

Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg nimmt jedoch erneut die Arbeit auf und sammelt neue Beweise. Im November 2008 übergibt sie das Material der Staatsanwaltschaft München.

Ein Gutachten des bayerischen Landeskriminalamtes bestätigt die Echtheit eines Demjanjuk zugeordneten SS-Dienstausweises. Das Amtsgericht München erlässt darauf am 11. März 2009 Haftbefehl.

Nach wochenlangem Tauziehen wird Demjanjuk am 11. Mai von den USA abgeschoben. Er trifft am 12. Mai per Sondermaschine in München ein und wird in die Haftanstalt Stadelheim gebracht.

Am 3. Juli gibt die Anklagebehörde bekannt, dass der mittlerweile 89-Jährige laut ärztlichem Gutachten verhandlungsfähig ist: je Prozesstag aber nur für zweimal 90 Minuten, insgesamt also nicht mehr als drei Stunden. Am 13. Juli erhebt die Staatsanwaltschaft München I Anklage wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen.

Am 1. Oktober lässt das Landgericht München II die Anklage zu. Eine Woche später bringen Demjanjunks Verteidiger eine Verfassungsbeschwerde mit Antrag auf Einstweilige Anordnung auf den Weg: Es gebe keine deutsche Zuständigkeit für den Prozess. Ziel ist die Einstellung des Verfahrens und Aufhebung des Haftbefehls. Das Bundesverfassungsgericht weist die Beschwerden am 21. Oktober aber ab und macht damit den Weg für den Prozess frei.

dpa