"Polizeiruf 110: Klick gemacht", Sonntag, 29. November, 20.15 Uhr im Ersten
Das erste Opfer des Krieges, weiß man seit Rudyard Kipling, ist die Wahrheit. Aber auch die Lüge fordert ihre Opfer; und deshalb müssen in diesem großartigen Münchener "Polizeiruf" Menschen selbst dann noch sterben, wenn sie das Schlachtfeld längst wieder verlassen haben.
"Klick gemacht" ist aus mehreren Gründe ein ganz besonderer Film. Die wichtigste Personalie ist dabei Jörg Hube. Er sollte nach dem Ausstieg Edgar Selges gemeinsam mit Stefanie Stappenbeck das neue Münchener Ermittler-Team bilden, starb aber im Sommer an Krebs. Fast prophetisch klingt daher Papens Begrüßungsrede, er sei bloß als Zwischenlösung gedacht, wolle daraus aber einen Dauerzustand machen. Der Film zeigt neunzig Minuten lang, warum es schade ist, dass Papens Dienst doch bloß ein Intermezzo war.
Ein zweiter Grund für die Qualität ist der Inhalt, allerdings weniger wegen der traumatischen Afghanistan-Erlebnisse, die in diesem Jahr schon mehrfach Thema waren: "Klick gemacht" ist vor allem ein Film über die Bundeswehr, die viel zu selten im Blickpunkt engagierter TV-Movies steht; vielleicht, weil die meisten Autoren nie "gedient" haben. Und da Papen ein alter Linker ist, begegnet er der jungen Frau Hauptmann Steiger, die seine Ermittlungen als "Verbindungsglied" zur Bundeswehr unterstützt, mit viel Ironie. Papens Skepsis und Steigers Sturheit bilden eine wunderbare Basis für die gemeinsamen Dialoge.
Entscheidend aber ist die Geschichte (Buch: Christian Jeltsch): Oberleutnant Darkow ist entführt und im Wald auf einer Mine platziert worden. Sobald er seinen Fuß hebt, wird sie hochgehen. Hilflos muss er nun Stunde um Stunde verbringen. Darkow trägt die Schuld daran, dass in Afghanistan ein Konvoi auf eine Mine gefahren ist: Er hatte per Funk durchgegeben, die Route sei sicher. Bei der Explosion starben mehrere Menschen, aber die Sache wurde vertuscht. Einer der Angehörigen muss der Täter sein. Für Papen und Steiger sind die Ermittlungen ein Wettlauf mit dem Tod: Wie lange kann Darkow durchhalten?
Der Film ist ausgezeichnet besetzt (unter anderem August Schmölzer, Bjarne Ingmar Mädel, Paul Faßnacht, Anna Schudt), aber die Schlüsselrolle neben den Hauptdarstellern spielt Dirk Borchardt. Als entführter Offizier hat er naturgemäß nur wenig Dialog, macht seine Sache als polarisierende Figur, die gleichzeitig Täter wie Opfer ist, aber ganz ausgezeichnet (Regie: Stephan Wagner). Nicht minder faszinierend sind die beiden Ermittler. Während Papen, der bei Dienstantritt erst mal die Sachen von Vorgänger Tauber aus den Schubladen räumt, die Weisheit und Gelassenheit des erfahrenen Polizisten verkörpert, muss seine widerwillige Partnerin erkennen, dass Papens Skepsis gegenüber der Bundeswehr absolut berechtigt ist; erst recht, als klar wird, dass ihr eigener Vater das erste Opfer des Krieges auf dem Gewissen hat.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).