Ein bisschen müde sieht Pfarrer Tobias Fritsche aus, lang war die Nacht zuvor. Minuten, bevor die erste Band auf die Bühne kam, war die letzte Schraube festgezogen, der letzte Staub vom Altar gewischt worden. Rockmusik statt Orgelklänge erfüllten den Kirchenraum von St. Lukas. Sie kündigten etwas Großes an - die Eröffnung der ersten Jugendkirche Bayerns. Lux – Licht – hat sie sich genannt.
So einzigartig wie die Jugendkirche ist der Zugang zum Kirchenraum, er führt durch eine Café-Lounge. Dort lehnt Fritsche nun, am Morgen danach, am futuristischen Tresen, an dem Leuchtstreifen in Pink und blau schimmern. Die Wände glänzen in weißem Lack, durch die quadratischen Fenster kann man die Bäume sehen. Die ersten Besucher testen die schwarzen Clubsessel auf Bequemlichkeit – Neugier in den Augen. Aus dem Kirchenraum nebenan erklingt der Lux-Gospelchor.
Jeder ist willkommen
Hier, mitten in St. Lukas, sollen sie einen Platz finden: Jugendliche zwischen 15 und 27 Jahren. "Bei uns ist jeder willkommen", sagt Fritsche. "Egal, ob evangelisch oder katholisch. Auch Skeptikern stehen die Türen offen." Lux versteht sich als Ort, an dem Jugendliche ihr Lebensgefühl einbringen können. Und so klingt das Programm wie ein Eventkalender: Konzerte, Poetry Slams, Ausstellungen sowie Workshops, unter anderem für Feuerspucken und Moderation. Und zu Weihnachten gibt es ein Massen-Wichteln. "Der Schwerpunkt liegt aber auf den wöchentlichen Gottesdiensten", betont Fritsche. Kultur soll es alle 14 Tage geben.
"Wir wollten, dass auch der Raum als Kirche erhalten bleibt", sagt Fritsche. Der Altar, der Taufstein, die Kanzel und ein dominantes Kreuz der 1963 geweihten Kirche sind geblieben, Sitzbänke sucht man allerdings vergebens. Stattdessen eröffnet sich vor dem Altarraum eine weite Fläche, auf der Stühle aufgestellt werden oder wo man einfach mal auf dem Boden sitzen kann. In der Mitte hebt sich schwach ein Kreis aus dem schwarzen Gussasphalt ab. "Da ist die Fußbodenheizung drunter", erklärt der 34-jährige Pfarrer lächelnd.
500 Jugendliche befragt
"Warm" war eine der meistgenannten Antworten, die Roger Schmidt erhielt, als er im Jahr 2005 über 500 Jugendliche fragte, wie sie sich eine Kirche wünschen. Schmidt, damals Vikar, war es auch, der beim Nürnberger Dekanatsjugendpfarrer Thomas Kaffenberger im gleichen Jahr anfragte, ob man nicht eine Jugendkirche gründen wolle. Kaffenberger war zu dieser Zeit längst entflammt für diese Idee, bereits im Jahr 2000 hatte er von ähnlichen Projekten in Stuttgart gehört. Doch damals fehlte noch die Unterstützung und das Geld.
In seinem besten Anzug steht Kaffenberger nun in der Lounge, im Jahr 2009. Und er scheint all das, was um ihn herum passiert, immer noch nicht glauben zu können. "Die Kirche hat so viele Gesichter, mit Lux kommt nun ein neues hinzu", sagt er und aus seinen Augen strahlt echte Freude. "Lux war für mich so wichtig, weil es die Schönheit und Leichtigkeit des Glaubens vermitteln kann", sagt er. Für ihn zeige Lux, dass Visionen wahr werden können.
Es war ein harter Weg: 60 Sparrunden haben die Initiatoren hinter sich. 2,2 Millionen Euro hat der Umbau der Kirche mitten in St. Lukas gekostet. 1,5 Millionen davon steuerte die Landeskirche bei. 700 000 Euro muss die Evangelische Jugend selbst aufbringen – in Zeiten der Wirtschaftskrise eine mühsame Aufgabe. Bis 2013 schießt die Landeskirche noch Geld zu. Danach muss das Dekanat selbst Lux tragen. Einnahmen müssen her, zum Beispiel durch Vermietung von Kirche oder dem Café. "Dabei sind wir ganz offen", sagt Fritsche. "Das kann eine Firmenfeier, eine Hochzeit oder ein Geburtstag sein."
Im Alltag werden es jedoch die Jugendlichen sein, die die Kirche mit Leben – und mit ihrem Lebensgefühl – gestalten werden. In Aktivteams können sie ihren Platz finden. So unterschiedlich wie sie sind, sind es auch die Gruppen: Musik, Theater, Events, Technik und Tanz gibt es bereits. Auch eine Security-Gruppe ist dabei. Geleitet wird sie von Andreas von Heymann. Der 24-Jährige hat extra ein Seminar gemacht, um als Türsteher ab sofort die Gäste bei Lux willkommen zu heißen oder im Ernstfall auf den richtigen Weg zu bringen. "Ich studiere in Nürnberg Chemie. Von meinen 150 Kommilitonen kenne ich von zehn die Namen, mit zweien versteh' ich mich besser", sagt er. "Es war schwer an der Uni, Kontakt zu bekommen, bei Lux ist das nicht so." Ohne Vorurteile sei man ihm hier begegnet.
Erster Besuch
So erlebte auch Barbara Wiedner ihren ersten Lux-Besuch. "Man wird sofort aufgenommen, ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist." Den Glauben an Gott hat die 15-Jährige erst Anfang des Jahres gefunden, als ihre Oma starb. Die Institution Kirche ist für sie dabei nicht wichtig. "Ich glaube nicht an die Bibel, sie ist für mich ein Märchenbuch", sagt Andreas. "Aber ich glaube, dass es da trotzdem so etwas wie Gott gibt." Für Kirsten Gebbing, 20, sind Kirche und Glaube nicht voneinander zu trennen. " Denn mit Kirche verbinde ich Gemeinde", sagt die Biologiestudentin.
Für viele der Jugendlichen ist Lux eine Ergänzung zu ihren Gemeinden, auch weil sie sich dort immer weniger wiederfinden. In einigen gibt es nicht einmal mehr Kindergottesdienste. "Für mich ist Lux wie eine Familie", sagt Kirsten Gebbing.
Die Lux-Jugend hat gemeinsam etwas aufgebaut, viele von ihnen haben über Monate beim Bau geholfen und Geld gesammelt, ebenso wie zahlreiche ehrenamtliche Helfer jenseits der 27. Das verbindet und gibt Selbstbewusstsein. Das scheinen gläubige Jugendliche auch zu brauchen. Stephanie Harz ist 15 und über ihre Konfirmandengruppe zu Lux gekommen. Komisch angesehen wurde sie in der Schule, als sie erzählte, dass sie in die Kirche gehe. Sie nahm daraufhin ihre Klassenkameraden mit zu Lux. Viele von ihnen blieben.
Kontakt:
Lux – Junge Kirche Nürnberg
www.lux-jungekirche.de
Leipziger Platz 8
90491 Nürnberg
Tel.: 0911 – 5 61 55 27
Für alle, die Lux finanziell unterstützen wollen:
Empfänger: Evangelische Jugendkirche; Stichwort "Lux",
Konto: 1570870, BLZ: 52060410 (EKK-Nürnberg)