Lässt sich auf die Existenz von Gott wetten?
Ich wette gern. Nicht um Geld und in Wettbüros, sondern mit meiner Frau oder Freunden. Der Wetteinsatz ist mal ein Eis, ein anderes Mal eine Essenseinladung, mehr nicht. Es geht meistens auch um ganz unwichtige Dinge, wenn es bei mir heißt: Wetten, dass?! Kommt der Besuch morgen Nachmittag pünktlich oder verspätet er sich wie immer; wer weiß exakter die Entfernung zwischen Erde und Mond, finden wir den zweiten Haustürschlüssel wieder oder nicht?
27.11.2009
Von Ralf Meister

Es sind spontane Einfälle bei Meinungsverschiedenheiten oder ein lustiger kleiner Wettstreit der Vorhersagen. Keinem geht es dabei um den Wetteinsatz. Anderen schon. Und bei Ihnen nimmt der Wetteinsatz ganz andere Dimensionen an und setzt kriminelle Energie frei. Vor knapp fünf Jahren beim Schiedsrichterskandal im Fußball war ich als Fan geschockt. Hohe Summen wurden auf den Ausgang eines Spiels gesetzt und gleichzeitig wurde versucht, das Ergebnis durch Bestechung zu manipulieren. Was im privaten ein netter Anreiz ist, war dort organisierte Kriminalität geworden. Und diese kriminelle Szene hat weiter gemacht.

Wetten: spielerische Art unterscheidliche Überzeugungen zu überprüfen

Trotz aller Sicherungsmaßnahmen zeigt der erneute Wettskandal, dass den verbrecherischen Praktiken schwer bei zukommen ist. Die Ermittler sind mehr zufällig auf diese Machenschaften gestoßen. Und schlimmer noch: der Schaden liegt nicht nur darin, dass einige Personen sich gesetzeswidrig bereichert haben, sondern dass zugleich das Vertrauen in eine Sportart gefährdet wird. Wenn Spieler sich bestechen lassen, Schiedsrichter nicht unparteiisch sind, wird Fairness zur Farce.

Für mich ist auch noch etwas anderes ärgerlich: Das Wetten selbst ist in Misskredit geraten. Jeder, der mit Geldeinsatz wettet, wird sich fragen müssen, ob er nicht bei einem unlauteren Spiel mitmacht, bei dem es nicht mit rechten Dingen zu geht. Dabei ist das Wetten seit alters her eine anspruchsvolle spielerische Form gewesen, um unterschiedliche Überzeugungen zu überprüfen. Eine Wette lässt nur ein Ergebnis gelten, und deshalb ist der Weg zu dieser einen Wahrheit manchmal anregend und spannend.

Kopf oder Zahl

Eines der berühmtesten Beispiele für eine solche Wette stammt von Blaise Pascal, einem französischen Naturwissenschaftler und Mystiker im 17. Jahrhundert. Er schlägt für die Frage des Glaubens an Gott eine Wette vor: Stellen sie sich vor, sie haben nur die Wahl zwischen "es gibt Gott oder „es gibt ihn nicht“ ‚- wie ‚Kopf oder Zahl‘. Wofür würden sie sich entscheiden?. Beweisen oder ausschließen lässt sich weder das eine noch das andere. Hier auf Erden lässt sich nicht entscheiden, welches die richtige Wahl ist. Die Wahrheit über die Existenz Gottes kann also nicht durch die Wette entschieden werden. Doch – so Blaise Pascal weiter –, es muss trotzdem gewettet werden. Sie müssen sich darauf einlassen. Wenn Sie nicht wetten wollen, dass es Gott gibt, müssen Sie wetten, dass es ihn nicht gibt. Wofür entscheiden Sie sich?

Wägen wir den Verlust ab für den Fall, dass Sie sich dafür entschieden haben, dass es Gott gibt: Wenn Sie gewinnen, gewinnen Sie alles, wenn Sie verlieren, verlieren Sie nichts. Setzen Sie also ohne zu zögern darauf, dass es ihn gibt.

Man kann im Glauben an Gott nicht verlieren

Diese Wette hat bis heute viele Reaktionen hervorgebracht. Es ist ein reines Gedankenspiel, kein Beweis für die Existenz Gottes oder für seine Nichtexistenz. Glaube ich an Gott und es gibt ihn, so gewinne ich alles. Glaube ich an ihn und es gibt ihn nicht, so verliere ich nichts. Diese Wette wird niemand ernsthaft zum Glauben an Gott bringen. Aber sie zeigt auf jeden Fall eines: Der Glaube an Gott ist eine existentielle Angelegenheit. In der Sache mit Gott geht es um alles oder nichts. Eine Sache, die das ganze Leben ergreift.

Im Sinne dieses Gedankenspiels ist Wetten für mich alltäglich und sogar mit höherem Einsatz verbunden als die Geldsummen im Wettskandal. Man kann im Glauben an Gott nicht verlieren. Hierauf wette ich jeden Tag, und mein Einsatz ist das ganze Leben.


Ralf Meister (47) ist Generalsuperintendent in Berlin und gehört zu den Sprechern des Worts zum Sonntag. Bei dem vorstehenden Text handelt es sich um die "Gedanken zur Woche", die der Deutschlandfunk am frühen Freitagmorgen gesendet hat.