"Die Frau, die im Wald verschwand", Donnerstag, 26. November, 21.45 Uhr im NDR
Der achtzigjährige Oliver Storz, 1999 für "Gegen Ende der Nacht" mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet, bleibt auch mit seinem bislang letzten Film einer Thematik treu, die sich wie ein roter Faden durch seine mittlerweile fast fünf Jahrzehnte umfassende Filmografie zieht ("Drei Tage im April", 1994, zuletzt "Drei Frauen made in Germany", 2006). Die Hauptfiguren seines Drei-Personen-Stücks repräsentieren typische Nachkriegsdeutsche: hier der Emporkömmling Gerd Vorweg (Stefan Kurt), der es als Oberbürgermeister einer schwäbischen Gemeinde zu Amt und Ansehen gebracht hat, seine Frau allerdings auch mal skrupellos einem Großunternehmer überlässt, wenn er sich dadurch einen Vorteil erhofft; dort der Antagonist Horst Karg (Matthias Brandt), der die Gräuel des Krieges nie verwunden hat und letztlich auch daran zerbrechen wird. Zwischen ihnen und Dritte im Bunde ist Katharina (Karoline Eichhorn), die Gattin des Kommunalpolitikers. Tragische Figuren sind sie im Grunde alle, doch sie ist die einzig Unschuldige. Ausgerechnet Katharina aber fällt im Wald anscheinend einem Blindgänger zum Opfer.
Doch dies ist nur der Einstieg in den Kern der Handlung, der aus einem langen, immer wieder unterbrochenen Dialog zwischen Vorweg und Karg besteht. Vordergründig will Karg eine alte Rechnung mit dem früheren Arzt begleichen, der sich gegen Kriegsende weigerte, den Soldaten nach einer schweren Verletzung kriegsuntauglich zu schreiben; aber in Wirklichkeit geht es natürlich um die Abrechnung mit jener Generation, die die Vergangenheit erfolgreich verdrängt hat.
Die Inszenierung dieser packenden Zweierkonstellation war ohne Frage eine Herausforderung für Kameramann Frank Brühne. Das nächtliche Gespräch zwischen den Gegenspielern findet in Vorwegs Arbeitszimmer statt, das Teil eines im typischen Bauhaus-Stil errichteten Nachkriegs-Bungalows ist. Drei Wände des Raums sind aus Glas, was dem Disput zwar einen hübschen metaphorischen Aquariumseffekt verleiht, die Bildgestaltung wegen der kaum zu vermeidenden Spiegeleffekte aber ungeheuer erschwert haben dürfte. Bei allem Respekt für die Leistung von Storz fällt allerdings auf, dass gerade so formidable Darsteller wie Kurt und Brandt immer wieder äußerst theatralisch agieren und ihre Figuren einige Male lautstark überspielen, wo Zwischentöne ungleich wirkungsvoller gewesen wären.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).