Klimafreundliches Verhalten nutzt auch der Gesundheit
Der Kampf gegen den Klimawandel nutzt auch der Gesundheit: Wer etwa weniger Fleisch isst, entlastet nicht nur das Klima, sondern senkt auch sein Herzinfarktrisiko.

Das betonten Forscher am Mittwoch in London. Sinke der Fleischkonsum um ein knappes Drittel, ließen sich allein in Großbritannien 18.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verhindern, schreiben Wissenschaftler um Sharon Friel von der Australian National University im britischen Fachjournal "The Lancet" im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion entfielen zehn bis zwölf Prozent der globalen Treibhausgasemissionen.

Auch Fahrradfahren und Zufußgehen haben einen Doppelnutzen: Denn weniger Schadstoffe im Straßenverkehr bedeuten auch geringere Risiken für Herz- oder Atemwegprobleme, heißt es in einem Bericht der London School of Hygiene and Tropical Medicine in "The Lancet". Die Menschen würden auch etwas für ihre persönliche Gesundheit tun, wenn sie auf das Fahrrad umsteigen oder zu Fuß gehen. Allein in London könnten so 3.500 bis 7.200 Todesfälle im Jahr verhindert werden, schreiben die Wissenschaftler. Wenn Städte so gebaut wären, dass Menschen sich mehr bewegten, bringe das der Gesundheitsvorsorge mehr, als Fahrzeuge mit geringerem Ausstoß zu fördern.

Isolierte Häuser retten Leben

Häuser besser zu isolieren, spare nicht nur Energie und damit Treibhausgasemissionen, sondern könne auch Todesfälle zum Beispiel durch extreme Kälte und Hitze im Zuge des Klimawandels verhindern. In Großbritannien würden die verschiedenen Maßnahmen pro Jahr 5.500 vorzeitige Todesfälle verhindern und 41 Megatonnen Kohlendioxid einsparen, schreiben andere Forscher der London School of Hygiene and Tropical Medicine. In Indien könnten bis zum Jahr 2020 sogar 1,8 Millionen Todesfälle vermieden werden, wenn bis dahin bessere Herde in den Häusern verwendet würden, die weniger die Luft verschmutzten.

Unterdessen überschatten neue schwere Vorwürfe die Vorbereitungen für den Weltklimagipfel in Kopenhagen. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des britischen Senders BBC hielten reiche Industrienationen ihre früheren Milliardenzusagen für Entwicklungsländer nicht ein. Zugleich warf China den reichen Staaten vor, ihnen habe es "an gutem Willen gemangelt", deshalb habe es in den Verhandlungen nicht genug Fortschritte gegeben. Jüngste Forschungsergebnisse, wonach der Klimawandel noch dramatischer ist als bereits befürchtet, sorgten auch am Mittwoch für Aufsehen.

Viel weniger Geld als gedacht

Laut BBC ist der Löwenanteil einer 2001 versprochenen Hilfe im Volumen von 1,1 Milliarden Euro möglicherweise nie bei den ärmeren Ländern angekommen. Nur 173 Millionen Euro seien für zwei UN-Projekte überwiesen worden. Das meiste Geld kam dabei mit 23 Millionen Euro aus Deutschland. "Es gab Versprechen, die sich nicht verwirklicht haben", zitierte die BBC UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Jegliche Finanzzusagen, die beim anstehenden Weltklimagipfel erreicht würden, müssten messbar und nachvollziehbar sein, forderte er. Die Finanzierung des Klimaschutzes zählt zu den Knackpunkten des Gipfels vom 7. bis 18. Dezember) in Kopenhagen.

Der Klimabeauftragte des chinesischen Außenministeriums, Yu Qingtai, warf den Industriestaaten in diesem Zusammenhang Wortbruch vor. Frühere Zusagen für eine Verringerung der Treibhausgase seien nicht eingehalten worden. Auch die versprochene technische und finanzielle Hilfe sei nicht in den Entwicklungsländern angekommen. Der Klimawandel sei seit 1750 durch die industrialisierten Länder verursacht worden, die für 80 Prozent der angesammelten Treibhausgase in der Atmosphäre verantwortlich seien. Sie müssten zusehen, wie sie die selbst geschaffenen Probleme lösen. "Die Entwicklungsländer sind hier die Opfer", betonte Yu Qingtai.

EU-Parlament verlangt konkrete Ziele

Das EU-Parlament in Straßburg verlangte am Mittwoch eine Festlegung auf konkrete Klimaziele. "Die EU hat die Führerschaft übernommen, und wir wollen auch, dass das in Kopenhagen so bleibt. Deshalb müssen wir zu unserem Angebot - 30 Prozent Reduzierung der CO2-Gase im Jahr 2020 - stehen", sagte der Vorsitzende des Umweltausschusses, Jo Leinen (SPD). Dabei sollte sich die Europäische Union auf einen Finanzrahmen von jährlich bis zu sieben Milliarden Euro im Zeitraum von 2010 bis 2012 festlegen, wie von der EU-Kommission geschätzt, hieß es in einer Entschließung des EU-Parlaments.

Am Vortag hatten zahlreiche Forscher einen dramatischen Appell an die Gipfelteilnehmer gerichtet. "Dies ist der letzte wissenschaftliche Aufruf an die Unterhändler von 192 Staaten, den Klimaschutz-Zug in Kopenhagen nicht zu verpassen", warnte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber. 26 internationale Wissenschaftler trugen in dem Bericht mit dem Titel "Copenhagen Diagnosis" Daten zusammen, die noch nicht im jüngsten Report des Weltklimarates (IPCC) von 2007 enthalten waren.

Steigt Meeresspiegel um zwei Meter?

Demnach schwindet das arktische Meereis deutlich schneller als bisher befürchtet. Durch das Schmelzen von Eisschilden und Gebirgsgletschern könnte der Pegel bis zum Jahr 2100 global bis zu zwei Meter ansteigen ­ der IPCC war von 18 bis 59 Zentimetern ausgegangen. Zudem wurden dem Bericht zufolge 2008 rund 40 Prozent mehr Kohlendioxid aus Kohle, Öl und Gas freigesetzt als im Jahr 1990. Selbst wenn die Emissionen nicht weiter zunähmen, wäre schon innerhalb von 20 Jahren das Emissionsbudget aufgebraucht, das der Welt noch zur Verfügung steht, wenn die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius begrenzt werden soll.

An dem Gipfel in Kopenhagen will auch US-Präsident Barack Obama teilnehmen - allerdings nur einen Tag. Wie die dänische Nachrichtenagentur Ritzau am Mittwoch unter Berufung auf Regierungskreise in Washington berichtete, reist Obama am 9. Dezember für einen Tag in Dänemarks Hauptstadt. Einen Tag später nimmt er in Oslo den diesjährigen Friedensnobelpreis in Empfang. Bei der entscheidenden Schlussphase in Kopenhagen fehlt der Präsident. Für diese Tage hat Dänemarks Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen die Staats- und Regierungschefs aus 192 Ländern eingeladen. Bisher haben über 60 Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme zugesagt.

Proteste erwartet

Unterdessen stellt sich die dänische Polizei auf Massenfestnahmen bei Demonstrationen zum Klimagipfel ein. Betroffene sollen bei überbelegten Haftzellen auch in die Sporthalle eines Gefängnisses gesperrt werden. Das kündigte ein Behördensprecher im Rundfunk an. Wie es weiter hieß, sollen für die Dauer der UN-Klimakonferenz auch Werkstätten als Arrestzellen genutzt sowie Einzelzellen von acht Quadratmetern doppelt belegt werden. Dänemarks Regierung stellt sich seit Monaten mit einer betont harten Linie auf mögliche Krawalle rund um die Klimakonferenz ein.

Aus Protest gegen die Abholzung der Regenwälder blockierten Mitglieder der Umweltorganisation Greenpeace in Indonesien Anlagen der Papier- und Zellstofffirma APP. 14 Aktivisten wurden in Pekanbaru auf der Insel Sumatra festgenommen, berichtete die Polizei. Sie hatten sich an Kräne gekettet, mit denen die Firma Exportcontainer verlädt. "Die Abholzung ist einer der Gründe der Klimakrise", hieß es in einer Greenpeace-Erklärung mit.

dpa