Glühwein: Gutes vom Winzer oder Billigfusel?
Millionen Liter Glühwein trinken die Deutschen jedes Jahr. Doch das Qualitätsspektrum ist so breit wie die Rezepte vielfältig. Ein Blick unter den Topfdeckel lohnt sich.
25.11.2009
Von Friedhelm Schachtschneider

Glühwein ist heiß begehrt und älter als das Weihnachtsfest. Schon die alten Römer versetzten Traubentrunk mit Gewürzen, um ihn länger haltbar zu machen. Der antike Kochbuchautor Marcus Gavius Apicius beschrieb "conditum paradoxum", die Veredelung von Wein mit Zimt, Lorbeer, Nelken, Thymian und Koriander. 2.000 Jahre später wird der heiße Wein in der Adventszeit meist aus verschiedenen Rotweinen gemischt. Dazu kommen Gewürze wie Anis, Kardamom, Muskat, Nelken, Piment oder Zimt.

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Nach Angaben des Bundesverbands Wein und Spirituosen trinken die Deutschen jährlich rund 40 Millionen Liter des "aromatisierten weinhaltigen Getränks". Was sie davon in Läden und auf Weihnachtsmärkten angeboten bekommen, hat allerdings ein breites Qualitätsspektrum. Wer Glück hat, erwischt einen guten Spätburgunder, Portugieser oder Dornfelder.

"Aromatisierter weinhaltiger Cocktail"

Die lieblichen Weine werden frisch zubereitet, nur erhitzt und keinesfalls gekocht. Nicht nur, weil sonst der Alkohol verdunstet und der Geschmack "dünn" wird: Fängt der Wein zu brodeln an, kann sich das Zuckerabbauprodukt Hydroxymethylfurfural bilden, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Ob Glühwein frisch ist, lässt sich auch an seiner intensiv roten Farbe erkennen. Braun wird er durch Oxidationsprozesse beim langen Warmhalten im offenen Kessel.

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Mitunter kommt auch ein (oft teurer) Billigfusel in die Becher, der nach Behördeneinstufung allenfalls als "aromatisierter weinhaltiger Cocktail" einzustufen ist und nur durch Etiketten- Schwindel zum "Glühwein" wird. Reichlich gezuckert sollen minderwertiger Geschmack oder Geruch überdeckt werden.

Ein Becher bringt bis zu 0,25 Promille

Solch klebrigem Kopfschmerzverursacher ist das angekratzte Image des Heißgetränks zu verdanken. "Den schlechten Ruf vom Glühwein wegzubekommen", sieht darum Deutschlands erste Glühweinkönigin Nadine Thome als ihre ehrgeizige Aufgabe. Bei den Krönungsfeierlichkeiten auf dem Weihnachtsmarkt in Trier machte sie sich besonders für Winzer-Rotwein stark: frisch zubereitet mit fruchtiger Orangen-Note.

Der Mindestalkoholgehalt ist gesetzlich auf sieben Volumenprozent festgelegt, kann aber bis zu 14,5 Prozent betragen. Glühwein steigt schnell zu Kopf: Durch die Wärme werden die Gefäße im Magen-Darm- Trakt besser durchblutet und das Heißgetränk entfaltet seine Wirkung schneller als herkömmlicher Wein. Der Zucker fördert die Alkoholaufnahme zusätzlich. Schon ein 0,2-Liter-Becher mit rund zehn Volumenprozent Alkohol erhöht den Blutalkoholgehalt um bis zu 0,25 Promille. Kommt noch ein Schuss Rum oder Amaretto dazu, geraten auch kräftige Weihnachtsmänner schnell an ihre Grenzen.

dpa