Alles hatte sie minutiös und eiskalt vorbereitet: Mit einem japanischen Kurzschwert wollte die Einser-Schülerin einen Lehrer niederstechen um an den Schulschlüssel zu kommen, mit selbst gebauten Molotowcocktails die Schule in Brand setzen und die Räume versperren. Doch der Amoklauf im Albert-Einstein-Gymnasium in St. Augustin bei Bonn misslang in letzter Sekunde. Am Dienstag, sechs Monate danach, das Urteil: Die 8. große Strafkammer des Bonner Landgerichts verurteilte die 16-Jährige am Dienstag in nicht öffentlicher Verhandlung zu fünf Jahren Jugendstrafe. Motiv für die Tat: Einsamkeit.
Die Kammer hielt die Jugendliche des versuchten Mordes, der gefährlichen Körperverletzung sowie des Verstoßes gegen das Waffengesetz für schuldig. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik kam für das Gericht nicht infrage. Es stufte die Schülerin als voll schuldfähig zum Zeitpunkt der Tat ein. Die Anklage hatte sechs Jahre Jugendstrafe gefordert.
Beim Maskieren auf der Toilette erwischt
Auslöser für die Tat waren nach Überzeugung des Gerichts Probleme im häuslichen und schulischen Umfeld. Die Schülerin fühlte sich einsam und missverstanden, hieß es in der Urteilsbegründung. So habe sie schließlich den Plan für den Amoklauf gefasst. Im Internet chattete sie über Amokläufe, bestellte über das Netz auch das japanische Kurzschwert, dann entwendete sie dem Vater die Gaspistole und baute aus mit Benzin gefüllten Flaschen elf Molotowcocktails.
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Am 11. Mai war es dann soweit. An diesem Tag ging sie in der Schule zunächst in die Toilettenräume, um sich zu maskieren. Dabei wurde sie von einer damals 17 Jahre alten Mitschülerin überrascht. Sie griff diese - wie die junge Täterin gestand - mit dem Schwert an, um sie zu töten. Die Angegriffene wehrte den Stich zwar mit den Händen ab, wurde jedoch erheblich verletzt. Das Schwert durchtrennte Muskeln und Sehnen an beiden Händen, ein Daumen wurde fast ganz abgetrennt. Noch heute fehlt der Schülerin das Gefühl in den Händen.
Ein Lehrer hörte die Schreie und etwas später wurde Amokalarm ausgelöst. Die 17-Jährige konnte vor ihrer Angreiferin fliehen. Die verließ nach einem gescheiterten Selbstmordversuch das Schulgelände und stellte sich abends in Köln der Polizei, von wo sie in die Jugendpsychiatrie gebracht wurde.
Gestörte Entwicklung der Persönlichkeit
In der Frage der Schuldfähigkeit fielen die Einschätzungen der beiden vom Gericht bestellten Gutachter unterschiedlich aus. Während ein Gutachten eine verminderte Schuldfähigkeit attestierte, war das in dem anderen nicht der Fall. Das Gericht hielt die Angeklagte zur Tatzeit für schuldfähig.
Das Gericht schloss sich aber den beiden Gutachten an, die übereinstimmend eine gestörte Entwicklung der Persönlichkeit attestierten. Es sei nicht auszuschließen, dass die Schuldfähigkeit zur Tatzeit erheblich eingeschränkt gewesen sei, hieß es daher in der Urteilsbegründung. Allerdings sei umgekehrt eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit insbesondere angesichts der langfristigen Planung auch nicht festzustellen.
Bei der Strafbemessung hielten die Richter der Angeklagten ihr umfassendes Geständnis zugute, das sie am ersten der acht nicht öffentlichen Verhandlungstage abgelegt hatte. Sie verpflichtete sich auch, eine Schadenswiedergutmachung an ihr heute 18 Jahre altes Opfer im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs zu zahlen.
Die 18-Jährige fürchtet, aufgrund ihrer Verletzungen ihren Traum von Zahnarztberuf nicht mehr verwirklichen zu können. Doch für die junge Frau gab es auch eine gute Nachricht. Der "Woman's Business Club" und der Mannheimer Anti-Gewalt-Verein "Ken Zores" kündigten Hilfe an. Sie wollen die 18-Jährige nach Berlin einladen, damit sie dort von Spezialisten für Handverletzungen untersucht und eventuell operiert wird. Mitte November hatte der Mannheimer Verein der jungen Frau eine Auszeichnung verliehen, da sie mit ihrem Vorgehen zu einem großen Vorbild an Mut geworden sei, hieß es in einer Mitteilung.