Hochschulen: "Was sollen wir machen, eine Bank überfallen?"
In Leipzig haben 4.000 Menschen gegen die Situation an den Hochschulen protestiert, während dort die Hochschulrektorenkonferenz tagte. Die Protestierer fordern eine breite Palette von Veränderungen, von weniger belastenden Studiengängen bis zu freier Bildung für alle. Die Hochschulrektoren verwiesen auf die Schuld der Politik für die Finanzierung und fanden keine Gesprächsbasis mit den Demonstranten: Die Hochschulen sagen, der Prozess ist im Gange und die Lage wird besser, die Studenten wollen nicht warten und rufen nach sofortigen Veränderungen.
24.11.2009
Von Birgit Zimmermann und Juliane Wienß

Als ein paar Studenten in die Pressekonferenz der Hochschulrektoren in Leipzig poltern, schauen die Professoren einigermaßen irritiert. "Warum klagen Sie uns an, obwohl wir in erster Linie Opfer sind?", fragt der Rektor der Universität Leipzig, Franz Häuser. Die wild gestikulierenden Studenten halten den Hochschulchefs vor, sie verträten mit der Hochschulrektorenkonferenz nicht die Interessen der Studierenden im Dauerstreit um die Bachelor- und Masterreform.

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Draußen demonstrieren derweil tausende Frauen und Männer aus ganz Deutschland gegen Studiengebühren, für bessere Studienbedingungen - und gegen die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die am Dienstag in Leipzig tagt.

Bachelor "zu vollgestopft"

Die Lage ist so unübersichtlich wie die Gemüter erhitzt sind. Mindestens 4.000 Studenten sind nach Polizeiangaben aus ganz Deutschland nach Leipzig gekommen, viele reisten mit Bussen aus Bayern, Thüringen oder Niedersachsen aus. Aus Dresden kam eigens ein Sonderzug. Die Studenten haben Pfeifen, Bässe, Trommeln dabei. Lautstark machen sie auf die Probleme aufmerksam, an denen die deutschen Hochschulen nach ihrem Empfinden kranken: Studiengebühren, Zulassungsbeschränkungen, Elitenbildung und mangelhafte Umsetzung der europäischen Studienreformen, des sogenannten Bologna-Prozesses.

Die Demonstranten skandieren: "Bildung für alle - und zwar umsonst". Einer reckt ein Transparent in die Höhe: "Hap kein gält, prauche bildunk" ist darauf zu entziffern. Ein anderer wünscht sich "Reiche Eltern für alle". "Heute herzukommen lohnt sich, wenn die Rektoren mal mitbekommen, was uns auf den Wecker geht", sagt eine Frau aus Halle. Sie studiert Biologie im neuen Bachelor-Studiengang und hat sich spontan zu ihrer ersten Demonstration in den Zug gesetzt. "Der Bachelor ist so vollgestopft, dass man links und rechts überhaupt nicht mehr mitnehmen kann, was einen am Studium interessieren würde", sagt sie.

Hochschulreform "irreversibel"

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Dass es Probleme bei der Umstellung der alten Diplom- und Magister-Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse gibt, bestreitet auch HRK-Präsidentin Margret Wintermantel gar nicht und spricht von "Defiziten in Teilbereichen". Aber der Bologna-Prozess zeige auch Erfolge, wie die seit Jahrzehnten in Deutschland geforderte Verkürzung der Studiendauer. Die HRK ist auch überzeugt, dass die Akzeptanz der Bachelor-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt wachse. Und überhaupt: Der Prozess sei "irreversibel". "Wir sind dabei, diese Hochschulreform zum Erfolg zu führen und daran geht kein Weg vorbei."

Die Hochschulrektoren beklagen allerdings, dass die Länder die Hochschulfinanzierung vernachlässigen. "Wir müssen auch vom Geld reden. Um diese qualitätsvollen Studiengänge zu machen, brauchen wir einfach eine bessere Finanzierung", sagt Wintermantel. Dass die Politik immer wieder betont, die Hochschulen seien weitgehend unabhängig, lässt sie nicht unkommentiert. "Die Hochschulen sind in hohem Maße autonom - in staatlicher Trägerschaft", sagt sie: "Den Hochschulen den Schwarzen Peter zuzuschieben, das finde ich nun wirklich das Letzte."

Studiengänge unterfinanziert

Den Bundesländern machte die HRK in einer einstimmig verabschiedeten Resolution schwere Vorwürfe. Die neuen Studiengänge seien unterfinanziert und zum Teil überreguliert, heißt es in der schriftlich verbreiteten Erklärung. Auch hätten es die Länder versäumt, für Hochschulen wie für Studierende in wesentlichen Punkten für "Rechtssicherheit und Verlässlichkeit" zu sorgen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa gibt es innerhalb der Rektorenkonferenz deutliche Meinungsverschiedenheiten, wie mit den Studentenprotesten weiter umzugehen sei. An der HRK-Sitzung hatten zwei vom HRK-Präsidium ausgewählte Studentenvertreter teilgenommen. Das war von mehreren Rektoren unter großem Beifall als "Alibiveranstaltung" kritisiert worden.

Mit den protestierenden Studenten in Leipzig will am Dienstag kein rechtes Gespräch in Gang kommen. Professorin Wintermantel weist den Vorwurf von sich, die HRK vertrete nicht die Interessen der Studierenden. "Man sollte ein gewisses Vertrauen haben in das Qualitätsmanagement der Hochschulen", sagt sie. Für die Unterfinanzierung der Studiengänge seien nicht die Rektoren verantwortlich. "Was sollen wir denn machen: Eine Bank überfallen, oder was?", ruft Wintermantel den Studenten zu.

dpa