Auf der Suche nach dem richtigen Geschenk
Es war einmal ein armes Mädchen, das hieß Sterntaler. Im gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm gibt das gutherzige Kind sein letztes Brot einem ebenso Bedürftigen. Das Kind handelt uneigennützig. Doch meistens wird aus anderen Motiven geschenkt.
23.11.2009
Von Sarah Salin

Wer schenkt, gelte zwar gemeinhin als großzügig und gutherzig, als jemand, der beglücken oder verehren wolle, sagt der Soziologe Helmuth Berking von der Technischen Universität Darmstadt. "Seine Motivation aber kann alles Mögliche sein, auch zu erniedrigen oder zu beschämen." Der Psychologe Adrian Furnham vom University College in London fand sogar heraus, dass beim Schenken die Motivation des Gebers ebenso wichtig ist wie das Präsent selbst. Wird sie missverstanden, ist der Beschenkte fast immer beleidigt. Ein Diätbuch ist also nicht immer das ideale Geschenk.

Beim indianischen Brauch Potlatch, als "Fest des Schenkens" bekannt, wird sogar absichtlich beschämt: Mancher Häuptling veranstaltete wegen der extrem kostbaren weggegebenen Gaben nur einen einzigen Potlatch in seinem Leben. Doch über sein so erlangtes Ansehen wurde oft noch Generationen später gesprochen. Und die Beschenkten waren die Beschämten.

Mit starken Emotionen verbunden

Hierzulande ist Schenken immer noch prestigeträchtig. Auch werden so Beziehungen sichtbar gefestigt, und man versichert sich gegenseitiger Zuneigung. "Und wenn dann eine Beziehung in die Brüche geht, wird die zuvor geschenkte Haarsträhne samt Foto verbrannt", sagt Berking. Denn Geschenke sind als wichtige Symbole oft mit starken Emotionen verbunden.

Deshalb herrscht gerade an Weihnachten auch eine große Anspannung. "Das Fest der Familie ist wirklich eine Ausnahme", bestätigt der Soziologieprofessor. Denn alle schenken gegenseitig. Alle haben Erwartungen, ob ihr Geschenk ankommt oder nicht, und alle erhalten Geschenke, die gefallen oder nicht.

Friedrich Rost von der Freien Universität Berlin unterscheidet in den Industrieländern drei Formen des Schenkens: Die erste stammt aus der Zeit, als die Menschen noch wenig Güter hatten: Man hat geteilt. Die zweite Form entwickelte sich im 19. Jahrhundert. "Da liegt der Ursprung des modernen Brauchs", erklärt der Professor, der über Schenk-Theorien promoviert hat. Der Adel hatte nun genug Geld, um persönliche Geschenke speziell anfertigen zu lassen. Und die dritte moderne Form des Schenkens sei beziehungsorientiert: "Es wird eine Unternehmung plus die gemeinsame Zeit gegeben."

Eine Gabe enthält immer auch eine Botschaft

Ein Schenker sollte sich immer bewusst sein, dass er eine Botschaft vermittelt, sagt Soziologe Berking. "Es gibt keine schlechten Geschenke, nur schlechte Beziehungen", formuliert er provokant. Wenn beispielsweise ein Mann 20 Jahre lang von seiner Frau Krawatten zu Weihnachten bekomme, sollte er über seine Ehe nachdenken. Geschenke zeigten, wie das Umfeld einen wahrnehme und einschätze: "Wenn Fremdbild und Selbstbild nicht passen, dann knallt es", weiß der Wissenschaftler.

Enttäuschung und Ärger am Gabentisch haben noch einen weiteren Grund, sagt Manfred Becker-Huberti von der Katholischen Fachhochschule Köln: Jeder, der schenkt, gibt auch immer einen Teil von sich selbst her. Der Geber erwarte, dass sich der Empfänger über die gemachte Mühe freue, erläutert der Theologe. Darauf weist auch der Ursprung des Wortes hin: "Schenken" kommt von "einschenken", welches im Wortsinn meint, sich entgegen zu neigen.

Die Erklärung des Brauchs des Schenkens zu Weihnachten sei allerdings komplizierter, sagt Becker-Huberti: "Die Ursprünge liegen sicherlich im heidnischen Gabentausch." Und die biblische Geschichte der Heiligen drei Könige, die dem Jesuskind Geschenke bringen, spiele mit Sicherheit auch eine Rolle.

Doch wirklich bedeutsam sei die Legende des Nikolaus, des Bischofs von Myra. Dieser beschenkte heimlich und unerkannt die Armen. In Erinnerung an sein Werk etablierte sich im 14. Jahrhundert der 6. Dezember, der Tag des heiligen Nikolaus, als Geschenktermin.

Nikolaus, Weihnachtsmann, Christkind

"Später bekämpfte Martin Luther jedoch diesen Geschenkebringer", sagt Becker-Huberti. Heilige als Mittler göttlicher Gnade seien nach reformatorischer Lehre überflüssig geworden. Neuer Termin wurde Weihnachten, Geschenkebringer das Christkind. "Es mutierte im 19. Jahrhundert jedoch zum Weihnachtsmann, der Wesensmerkmale des Nikolaus übernahm", erklärt der Theologe. Um 1930 hatte sich schließlich in nördlichen Landesteilen der Weihnachtsmann, in südlichen das Christkind durchgesetzt.

Der Gedanke an Jesus als unendlich wertvolles Geschenk Gottes an die Menschheit sollte aber auch nicht vergessen werden, sagt der Theologe. Daher kann zu Weihnachten auch ganz selbstlos geschenkt werden. Zumindest für Sterntaler war dies der Weg zum Glück. Denn als das kleine Mädchen allein in dunkler Nacht auf freiem Feld stand, da fielen auf einmal Sterne vom Himmel und waren im Mondlicht glänzende Taler.

epd