Anglikaner: Differenzen sind kein Grund für Kirchenspaltung
Katholiken und Anglikaner stehen sich nach den Worten von Erzbischof Rowan Williams näher als vermutet. Die Kirchenspaltung lasse sich nicht durch theologische Differenzen begründen, sagte das Oberhaupt der Anglikanischen Weltgemeinschaft bei einem Besuch im Vatikan. Williams verteidigte zudem die von der katholischen Seite abgelehnte Priesterweihe von Frauen.

Bei einer Konferenz der Päpstlichen Gregoriana-Universität sagte der Erzbischof von Canterbury, die katholische und die anglikanische Kirche stünden sich näher, als der Vatikan eingestehe. Theologische Unterschiede rechtfertigten nicht die konfessionelle Spaltung. Der ökumenische Dialog habe seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil Übereinstimmung in den Grundfragen nach dem Wesen der Kirche erzielt. Offene Fragen wie Frauenordination, Primat des Papstes und des Lehramts hätten nicht das gleiche theologische Gewicht.

Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, verteidigte die kürzlich angekündigte Gründung von Kirchenstrukturen für übertrittswillige Anglikaner in der katholischen Kirche. "Wir können unsere Türen nicht verschließen, wenn andere anklopfen." Der päpstliche Erlass bedeute "kein Ende der alten Ökumene", so der deutsche Kurienkardinal. Williams hält sich zu einem dreitägigen Besuch im Vatikan auf. Am Samstag wird er von Papst Benedikt XVI. empfangen.

Frage nach der Autorität des Papstes

Ohne ausdrücklich auf den päpstlichen Erlass einzugehen, würdigte Williams die Bemühungen des Einheitsrates im Dialog. Die katholische Seite müsse sich jedoch fragen, ob die Integrität der Kirche von der Autorität des Papstes abhänge. Der Einheitsrat habe eingestanden, dass kirchliche Ämter "kein Selbstzweck" seien, sondern der Verkündung des Evangeliums dienten, sagte Williams. Dabei wies er auf in der katholischen Hierarchie bestehende Unterschiede zwischen "Lehrer und Belehrtem, Herrscher und Beherrschtem".

Der Erzbischof von Canterbury verteidigte überdies die Weihe von Frauen zu Priestern und Bischöfen. Die Frauenordination mache die anglikanische Kirche für die katholische jedoch "weniger anerkennenswert". Mit der apostolischen Konstitution für die Anglikaner kündigt der Vatikan die Bildung eigene Bistümer für diejenigen Anglikaner an, die die volle Einheit mit der katholischen Kirche anstreben. Nach Auffassung von Williams ist eine Einheit der beiden Kirchen ohne Kirchenübertritt aufgrund der bereits erreichten Fortschritte im ökumenischen Dialog möglich.

epd