UN-Hilfswerk zieht kritische Bilanz zu Kinderrechten
UNICEF zieht zum 20. Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention eine kritische Bilanz zur weltweiten Lage der Kinder. Bis heute werden nach Einschätzung von UNICEF Millionen Kindern elementare Rechte auf Überleben, Bildung, Schutz und Beteiligung vorenthalten. So fehlen jedem zweiten Kind auf der Welt grundlegende Dinge zum Überleben und zu ihrer Entwicklung wie ausreichende Nahrung, Schulbildung oder sauberes Wasser. Viele dieser Kinder sind auch besonders von den Folgen der globalen Finanzkrise, von Unterernährung, dem Klimawandel und wachsenden sozialen Gegensätzen bedroht.

Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Kinderrechte hat das UN-Kinderhilfswerk UNICEF eine Sonderausgabe seines Jahresberichts "Zur Situation der Kinder in der Welt" veröffentlicht. Unter dem Motto "Hand drauf! - Kinderrechte verwirklichen" haben UNICEF-Gruppen in über 50 Städten zugleich zu verstärktem Einsatz für benachteiligte Kinder aufgerufen.

Die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 hat weltweit das Bewusstsein für Kinderrechtsverletzungen geschärft und Gesetzesänderungen ausgelöst, unter anderem vorbildlich in Spanien, wo der Verweis auf die Rechte der Kinder seinen Weg in die Landesverfassung gefunden hat. Sie hat auch dazu beigetragen, dass Kinder heute ernster genommen werden. Doch bis heute ist laut UNICEF die Verpflichtung der Regierungen, das Wohl von Kindern bei allen sie betreffenden Entscheidungen vorrangig zu behandeln, vielfach nicht eingelöst. Dabei erfordern gerade die aktuellen Herausforderungen entschlossenes Handeln. UNICEF wies in einer Mitteilung auf vier wesentliche Entwicklungen hin, die die Umsetzung der Kinderrechte weltweit wesentlich erschweren:

  • Die Finanzkrise: Der Einbruch der Weltwirtschaft verschärft das Ausmaß von Armut, Hunger und Krankheiten bei Kindern in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Fast die Hälfte dieser Länder hat nach Einschätzung von UNICEF keinerlei soziale Sicherungssysteme für die betroffene Bevölkerung.
     
  • Hunger: Aufgrund hoher Nahrungsmittelpreise und Missernten steigt die Zahl der unterernährten Kinder. Rund 200 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind durch chronischen Nahrungsmangel in ihrer Entwicklung geschädigt. Heute geben die ärmsten Familien zwischen 60 und 70 Prozent ihres Einkommens für Nahrung aus.
     
  • Klimawandel: Die ärmsten Kinder sind am härtesten von Naturkatastrophen in Folge des globalen Klimawandels betroffen. Das Krankheitsrisiko für Kinder durch starke UV-Strahlung und Infektionen wie Lungenentzündung, Durchfall und Malaria wächst.
     
  • Wachsende soziale Gegensätze innerhalb der Staaten führen dazu, dass überall auf der Welt benachteiligte Kinder mehr und mehr abgehängt werden. Dies gilt besonders für Kinder aus armen Familien oder auf dem Land, Kinder mit Behinderungen und Kinder von Minderheiten sowie für viele Mädchen. Nur rund 65 Prozent der ärmsten Kinder in den Entwicklungsländern gehen zur Schule.

"Der Einsatz für die Rechte der Kinder ist unsere fundamentale Verantwortung und eine Chance. Investitionen in Gesundheit, Bildung und Schutz von Kindern sind die wirksamsten Maßnahmen für Frieden, Gerechtigkeit und verantwortliches Handeln zukünftiger Generationen", kommentierte Hilde Johnson, stellvertretende Exekutivdirektorin von UNICEF.

"Auch die deutsche Gesellschaft muss kindergerechter werden und allen Kindern helfen, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Der 20. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention wäre ein guter Anlass, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen", sagte Regine Stachelhaus, Geschäftsführerin von UNICEF Deutschland. Mit der Forderung reiht sich UNICEF in eine große Menge von gesellschaftlichen Institutionen ein, die in der "National Coalition" die Festschreibung der Kinderrechte in der Verfassung fordern

Welche Kinder sind besonders bedroht?

UNICEF weist mit dem vorgelegten Jahresbericht außerdem darauf hin, dass die Lebensbedingungen für Kinder im südlichen Afrika und in Asien am härtesten sind. Doch kommen Verletzungen der Kinderrechte überall auf der Welt vor: in reichen genauso wie in armen Ländern. Bestimmte Gruppen von Kindern sind dabei besonders bedroht, die UNICEF identifiziert und entsprechende Forderungen stellt:

  • Mädchen - Weltweit hat sich der Anteil der Mädchen, die zur Schule gehen, zwar erhöht. Trotzdem ist die Mehrzahl der 101 Millionen Kinder ohne Schulbildung weiblich. Eine Studie von UNICEF in 18 afrikanischen Staaten ergab, dass nur die Hälfte der Kinder, deren Mütter keine Schule besucht hatten, zur Schule gehen - gegenüber 73 Prozent der Kinder gebildeten Mütter. Die Investitionen in Grundbildung insbesondere für Mädchen müssten weltweit erhöht werden, fordert das UN-Kinderhilfswerk.
  • Kinder aus armen Familien haben überall schlechte Bildungschancen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie schon in jungen Jahren arbeiten müssen, ist zum Beispiel in Bolivien oder Nicaragua sechsmal so hoch wie bei den Altersgenossen aus wohlhabenden Familien. Der Kampf gegen Kinderarmut und den Ausschluss von benachteiligten Kindern müsse überall Priorität haben.
  • Kinder in ländlichen Gebieten haben oft keinen Zugang zu medizinischer Hilfe, sauberem Wasser oder Schulbildung. Nicht einmal die Hälfte der Landbevölkerung in den Entwicklungsländern verfügt über sanitäre Anlagen. Es müsse mehr für die ländliche Entwicklung getan werden - dazu gehöre auch eine bessere Gesundheitsversorgung für Kinder und Frauen sowie gute Schulen.
  • Kinder mit Behinderungen erhalten häufig keine ausreichende Unterstützung und sind besonders von Missbrauch, Diskriminierung und Ausschluss bedroht. Aktionspläne und Maßnahmen für Kinder müssten die Rechte und Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen einbeziehen.
  • Kinder aus ethnischen Minderheiten und indigenen Familien werden vielfach stark vernachlässigt. In Lateinamerika zum Beispiel werden viele dieser Kinder bei der Geburt gar nicht erst registriert. Die Rechte von Kindern aus ethnischen Minderheiten und indigenen Völkern sollten gestärkt werden - zum Beispiel durch Bildungsprogramme und mehr Beteiligungsmöglichkeiten.

Die Kinderrechte in Deutschland

Deutschland hat die Kinderkonvention 1990 unterzeichnet und 1992 ratifiziert. Viele wichtige Reformen stehen damit in Zusammenhang - so zum Beispiel das gemeinsame Sorgerecht, das Verbot der Prügelstrafe, die Modernisierung des Unterhaltsrechts und die Strafverfolgung von Sextouristen, die Kinder im Ausland missbraucht haben.

Bis heute gilt die Konvention in Deutschland allerdings nur unter Vorbehalt. Dies führt in der Praxis dazu, dass Flüchtlingskinder und Kinder ohne Aufenthaltstitel nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsversorgung haben und ab 16 Jahren im Asylverfahren wie Erwachsene behandelt werden. UNICEF begrüßt, dass die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Bedeutung der Kinderrechte ausdrücklich hervorhebt und sich für die Rücknahme dieses Vorbehalts ausspricht. Das Kinderhilfswerk bietet online die Möglichkeit, über das multimediale Petitionstool "Hand drauf!" seine Stimme für die Kinderrechte abgeben und in soziale Online-Netzwerke verschicken.

evangelisch.de/han