Seinen Ruhestand hatte sich der für viele Jahre wegweisende CSU-Vordenker Alois Glück anders vorgestellt. Nach drei Jahrzehnten an den Schaltstellen der Politik wollte der wertkonservative Katholik im Alter von 69 Jahren "noch mal einen anderen Lebensabschnitt gestalten", wie er in einem Zeitungsinterview ankündigte. Abschalten nach einem Leben in öffentlichen Funktionen wollte der langjährige CSU-Fraktionschef und bayerische Landtagspräsident.
Seine Hobbys, wie das Bergwandern oder Langlaufen, muss Glück nun wieder zurückstellen. Als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist er auf die öffentliche Bühne zurückgekehrt. Mit dieser Personalentscheidung, die auch Gräben zwischen den gesellschaftlich engagierten katholischen Laien und der von den Bischöfen repräsentierten Amtskirche einebnen soll, schließt sich für Glück auch ein Lebenskreislauf. Für den Bayern stimmten am Freitag in Bonn-Bad Godesberg 169 Delegierte, es gab sieben Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen.
Im Selbststudium weitergebildet
Seine ersten politischen Erfahrungen hat Glück in der katholischen Landjugend gesammelt. Die zweite Verortung war seine familiäre Herkunft: Schon als Jugendlicher musste Glück auf dem elterlichen Bauernhof für den im Krieg gefallenen Vater einspringen. Neben der Landarbeit hat er sich im Selbststudium weitergebildet: Alois Glück wurde Journalist und arbeitete für Rundfunk und Tageszeitungen. 1965 wurde er für die CSU in den bayerischen Landtag gewählt und startete eine eindrucksvolle Karriere, die ihn in das Amt des Fraktionschefs und des Landtagspräsidenten führte.
In allen diesen Ämtern blieb Glück seinen Wurzeln treu - nahe bei den Menschen sowie den sozialen und ethischen Fragen verpflichtet. Diese Haltung trug ihm die Rolle eines Vor- und Querdenkers der CSU ein. Über den parteipolitischen Tellerrand hinaus ging Glück immer wieder - auch gegen den Widerstand in seiner eigenen Partei - auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen und Strömungen zu: Er warb für eine neue Bürgerkultur, die Integration von Muslimen und die Neupositionierung des Sozialstaates. Als Landtagspräsident ließ Glück eine Gedenktafel zur Erinnerung an die SPD-Abgeordneten anbringen, die sich 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz entgegen stellten und deshalb im KZ zu Tode kamen.
Mitbegründer von "Donum Vitae"
Grundlage für die Politik ist für Glück das christliche Menschenbild. Deshalb wandte sich Glück mit der deutlichen Sprache, zu der er bei aller nachdenklichen Konsensbereitschaft fähig war, gegen Stammzellforschung und Abtreibung. Zugleich appellierte Glück, der auch Mitbegründer des katholischen Vereins "Donum Vitae" ist, an die Bischöfe, in dieser Schwangerenberatung zu bleiben und nach der "pastoralen Situation in Deutschland zu entscheiden". "Donum Vitae" leistet seine Arbeit gegen die Weisung der Bischöfe im staatlichen Beratungssystem.
Glück gilt als Vermittler, der fest in katholischen Traditionen und Werten verwurzelt ist. Sein Vorgänger, der frühere sächsische Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU), stand seit 1997 an der Spitze des ZdK. Der aus Rostock stammende Meyer, heute 73 Jahre alt, hatte in seiner Amtszeit der Ökumene einen wichtigen Stellenwert eingeräumt. Um die Nachfolge hatte es zuvor Irritationen gegeben. Im Mai war die Wahl eines neuen ZdK-Präsidenten an der fehlenden Bestätigung durch die katholischen deutschen Bischöfe gescheitert. Einziger Kandidat war damals der Vizepräsident des katholischen Laiengremiums, der hessische Kultus-Staatsekretär Heinz-Wilhelm Brockmann (62). Er erhielt nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit im ständigen Rat der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.
Stark in ethischen Fragen engagiert
In der eigenen Partei wirkte Glück immer wieder als Stachel im Fleisch. Nach der letzten Bundestagswahl mit einem bescheidenen CSU-Ergebnis legte er seiner Partei dringend nahe, nicht gleich zur Tagesordnung überzugehen. Das starke Engagement in ethischen Fragen über Partei- und Kirchengrenzen hinaus ist wohl auch auf persönliche Erfahrungen Glücks zurückzuführen: Eines seiner beiden Kinder ist schwer behindert. Vom Ökumenischen Kirchentag 2010 in München, dessen Co-Präsident er wird, erhofft sich Glück neue Impulse für den Umgang des Christentums mit anderen Religionen. "Wir brauchen eine Kombination aus einem eigenen Standpunkt und der Offenheit für Neues", sagte er bei einem Vorbereitungstreffen.
Die Reaktionen auf die Entscheidung zugunsten von Glück fielen durchwegs positiv aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) gratulierten dem neuen ZdK-Präsidenten. An der Tagung hatte auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) teilgenommen, der dem Gremium angehört. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wünschte Glück für das neue Amt "Erfolg, Kraft und Gottes Segen". Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte, die Gesellschaft brauche engagierte Christen in Kirche und Politik: "Wir freuen uns, dass das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wieder eine starke Spitze hat."
Bischofskonferenz bestätigt Entscheidung
Für die Deutsche Bischofskonferenz gratulierte deren Vorsitzender Robert Zollitsch dem neuen Repräsentanten der Laienorganisation. Glück verfüge über hohes Ansehen sowie große intellektuelle und menschliche Qualitäten. "Gerne bestätige ich diese Wahl auch namens der Deutschen Bischofskonferenz", schreibt Erzbischof Zollitsch. Glückwünsche für den neuen Spitzenmann des Laienkatholizismus gab es zudem aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann schreibt, sie wünsche Glück, dass er der Stimme der Laienbewegung im deutschen Katholizismus bei den Schwerpunkten Lehre der Kirche und Gerechtigkeit Kontur gebe. Für die EKD-Synode äußerte Präses Katrin Göring-Eckardt die Hoffnung auf einen vertrauensvollen Austausch im ökumenischen Miteinander.
Alois Glück selbst erinnerte vor Journalisten an die "überragenden Leistungen" seines Vorgängers Meyer, auch im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung. Der neugewählte Präsident sprach sich für mehr Anstrengungen zur Integration und einen intensiveren Dialog mit dem Islam aus. "Wie viel wissen wir über den Islam? Sind wir in der Lage, unsere eigenen Positionen klar zu formulieren?" Christen müssten sich in die aufbrechenden geistigen Auseinandersetzungen stärker einbringen, dazu gehöre auch die Auseinandersetzung mit einem organisierten aggressiven Atheismus. Glück: "Noch nie waren so viele Menschen auf der Suche nach Sinn und Orientierung unterwegs wie gegenwärtig."