Herman Van Rompuy (62) lebt in zwei Welten. Als belgischer Regierungschef ist der flämische Christdemokrat seit einem Jahr gefordert, Kompromisse im Streit zwischen niederländisch-sprachigen Flamen und französisch-sprachigen Wallonen zu finden. Dabei geht es um den Fortbestand des Königreichs. Als Privatmann ist der asketisch und still wirkende Van Rompuy, der sowohl ein Studium der Betriebswirtschaft als auch der Philosophie abgeschlossen hat, Autor von philosophischen Büchern. Darin schreibt er vor allem über religiöse Themen und verfasst Lyrik in der strengen Form des japanischen Haiku.
Als 16-Jähriger trat Van Rompuy in die Christliche Volkspartei ein. 1975, drei Jahre nach seinem ersten Posten in der Nationalbank, wurde er Berater des damaligen Premierministers Leo Tindemans. Den Vorsitz der Christlichen Volkspartei übernahm er von 1988 bis 1993. 1988 wurde er Finanzstaatssekretär, von 1993 bis 1999 war er stellvertretender Premierminister und Budgetminister. Nach Jahren als Oppositionsabgeordneter wurde er im Juli 2007 zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt.
Van Rompuy sucht das Scheinwerferlicht nicht, sondern gilt als geschickter Verhandler im Hintergrund. Er war als Unterhändler seiner Partei an der Bildung von neun belgischen Regierungen beteiligt. Eines der schwierigsten innenpolitischen Probleme des Landes kennt er wie kaum ein anderer: Der vierfache Vater ist Abgeordneter jenes Wahlkreises im Brüsseler Umland, in dem seit Jahren ein erbitterter Sprachenstreit tobt. Van Rompuy sagt, er sei mit Leidenschaft Politiker, vergesse aber die Politik beim Lesen und Schreiben völlig: "Wir sind nicht ewig und wir sind nicht unersetzlich. Für manche ist das ein großes Problem. Nicht für mich."