Eine Britin und ein Belgier stehen künftig an der Spitze der EU. Nach wochenlangem Tauziehen haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU am gestrigen Donnerstagabend auf eine neue politische Führung verständigt: Der 62 Jahre alte Belgier Herman Van Rompuy wird zum 1. Januar der erste ständige EU-Ratspräsident. Die bisherige EU-Handelskommissarin Catherine Ashton wird bereits zum 1. Dezember als Hohe Repräsentantin erste EU-"Außenministerin". Sie wird zugleich Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs Europas war ein Kompromiss, denn die beiden Politiker sind in weiten Teilen Europas so gut wie unbekannt. Die Posten des ständigen EU-Ratspräsidenten und des Hohen Repräsentanten werden mit dem Reformvertrag von Lissabon neu geschaffen, der nach langem Ringen am 1. Dezember in Kraft treten wird. Die EU beendet mit den Nominierungen eine acht Jahre lange Krise um ihre innere Reform. Der neue Vertrag soll die Gemeinschaft von 500 Millionen Menschen demokratischer und transparenter machen.
Merkel spricht von "Konsensentscheidungen"
Die Spitzenpersonalien wurden von den Gipfelteilnehmern einhellig begrüßt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Es waren Konsensentscheidungen." Van Rompuy habe seine Fähigkeiten in einer sehr langen politischen Karriere gezeigt. Er genieße in den Benelux-Staaten "eine sehr, sehr hohe Hochachtung." Zu der Labourpolitikerin Ashton sagte sie: "Sie ist für diese Aufgabe eine fähige und sehr geeignete Persönlichkeit." Auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy nannte die Entscheidung für Van Rompuy eine "ausgezeichnete Wahl".
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Der Franzose Pierre de Boissieu wurde vom EU-Gipfel als Generalsekretär des EU-Ministerrates bestätigt. Wenn er in eineinhalb Jahren ausscheidet, soll der Europaexperte im deutschen Kanzleramt, Uwe Corsepius, Nachfolger auf diesem "Strippenzieherposten" werden.
Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt als amtierender EU-Ratspräsident sagte, die Personalentscheidungen seien nach Beratungen mit allen seinen 26 Kollegen gefallen: "Ich habe einige Zeit am Telefon verbracht." Dabei sei keiner übergangen worden. Schon vor Beginn des Gipfels hatte der britische Premier Gordon Brown, lange Zeit wegen seines Festhaltens an seinem Vorgänger Tony Blair für den EU-Spitzenposten als Quertreiber verschrieen, die Weichen gestellt. Bei einem Treffen der sozialdemokratischen Regierungschefs verzichtete er nach wochenlangem Gefeilsche darauf, den nicht mehrheitsfähigen Blair auf den Posten des Ratspräsidenten zu hieven.
Zusammenarbeit an der Spitze ist noch unklar
Noch ist nicht klar, wie die neuen EU-Spitzenvertreter, zu denen noch Kommissionspräsident Barroso und die jeweilige, im Halbjahrestakt rotierende EU-Ratspräsidentschaft kommen, künftig miteinander auskommen werden. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, lange selbst als Favorit für den Spitzenposten gehandelt, übte Kritik. Die von ihm seit zwei Jahren angemahnte Debatte über die Kompetenzen des Ratspräsidenten habe es nie gegeben.
US-Präsident Barack Obama gratulierte dem Führungs-Duo der EU zu seiner Ernennung und sagte, er sehe darin eine Stärkung der Beziehungen zwischen Washington und Europa.