Im Jahr 2060 werden in Deutschland voraussichtlich fast genauso viele Menschen über 80 wie Kinder und Teenager unter 20 leben. Das geht aus einer neuen Studie des Statistischen Bundesamtes hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Während heute nur etwa jeder Zwanzigste in Deutschland 80 Jahre oder älter ist, wird im Jahr 2060 etwa jeder Siebte hochbetagt sein. "Die Ergebnisse der zwölften koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung bestätigen das bekannte Bild", sagte der Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler.
Demnach schrumpft die Bevölkerung zwischen Flensburg und Bodensee von derzeit rund 82 Millionen bis zum Jahr 2060 auf 65 bis 70 Millionen Menschen. Außerdem werden die Deutschen älter, während die Zahl der Geburten weiter abnimmt. Für ihre Modellrechnung hatten die Statistiker verschiedene Szenarien für Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Zuwanderung berücksichtigt - im Trend sind die Ergebnisse dieselben. Inwieweit das Anfang 2007 eingeführte Elterngeld oder mehr Betreuungsplätze für Kinder einen Einfluss auf die künftige Zahl der Geburten haben, ist nach Egelers Worten noch nicht einzuschätzen.
Es fehlen 0,7 Kinder pro Frau
Das deutsche Geburtendefizit gibt es schon seit den 70er Jahren: Mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden. Die Differenz lag im Jahr 2008 bei 162.000 Personen. In den nächsten fünf Jahrzehnten wird sich das Minus auf bis zu 553.000 pro Jahr erhöhen. Selbst wenn die Zahl der Geburten etwas wachse, sei dieser Trend nicht zu stoppen, bestenfalls abzumildern, sagte Egeler. Statistisch gesehen bringt derzeit jede Frau in Deutschland 1,4 Kinder zur Welt. Um die Bevölkerung auf dem Stand der Elterngeneration zu halten, müsste jede Frau rechnerisch 2,1 Kinder bekommen.
Konsequenzen hat der demografische Wandel auch auf dem Arbeitsmarkt: Die Zahl der Erwerbsfähigen wird bis 2060 von derzeit rund 50 Millionen Menschen um ein Drittel auf 33 Millionen sinken. "Eine besonders einschneidende Veränderung der Altersstruktur erwartet die deutsche Wirtschaft bereits in zehn Jahren", sagte Egeler. Bei den Erwerbsfähigen sei die Gruppe der 30- bis unter 50-Jährigen dann ebenso groß wie die der 50- bis unter 65-Jährigen. Durch diese Entwicklung dürften sich die Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessern. Selbst bei einem jährlichen Zuwanderungsüberschuss von 200.000 Menschen werden in fünf Jahrzehnten 63 Senioren auf 100 Personen im Erwerbsalter kommen.
Die Lebenserwartung wird weiter steigen - verglichen mit heute um rund sieben Jahre. Mädchen, die im Jahr 2060 geboren werden, werden eine Lebenserwartung von gut 89 Jahren haben, für Jungen wird sie bei 85 Jahren liegen, so die Studie.
Lebenserwartung weltweit: Japan liegt vorn
International leben die Menschen in Japan laut dem UN-Bevölkerungsfonds UNFPA am längsten. Frauen erreichen dort im Durchschnitt ein Alter von 86,5 Jahren, Männer im Schnitt 79,4 Jahre, heißt es im UN-Weltbevölkerungsbericht, den der UNFPA am Mittwoch in Genf vorstellte. Ein Grund für das hohe Alter der Japaner sei deren gesunde Ernährung.
Deutschland liegt bei der Lebenserwartung in der Spitzengruppe. In der Bundesrepublik werden Männer im Durchschnitt 77,4 Jahre alt. Frauen können mit einem Lebensalter von 82,6 Jahren rechnen. In anderen EU-Ländern wie Frankreich und Großbritannien liegt die Lebenserwartung ähnlich hoch wie in Deutschland.
In Afghanistan hingegen liegt die durchschnittliche Lebenserwatung mit 44,3 Jahren für Männer und Frauen am unteren Ende des internationalen Vergleichs. Ebenso können die Menschen in vielen afrikanischen Ländern wie in Simbabwe (Männer 45,3 Jahre, Frauen 45,6 Jahre) und in der Demokratischen Republik Kongo (Männer 46,2 Jahre, Frauen 49,4 Jahre) nicht mit einem langen Leben rechnen.
Sinkende Bevölkerung ist gut fürs Klima
Weltweit hätte ein Bevölkerungsrückgang allerdings positive Folgen. Denn ein langsamer, gebremster weltweiter Bevölkerungsanstieg könnte den CO2-Ausstoß senken, Geburtenkontrolle und Gesundheitsvorsorge können damit den Klimawandel bremsen. Zu diesem Schluss kommt der ebenfalls am Mittwoch, 18. November, vorgelegte Weltbevölkerungsbericht 2009 der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung.
"Wenn das Wirtschaftswachstum, das Bevölkerungswachstum und der Konsum auch weiterhin die Tragfähigkeit der Erde übersteigen, könnte der Klimawandel noch extremer ausfallen - und katastrophale Ausmaße annehmen", warnt der Bericht. Das Bevölkerungswachstum in der Vergangenheit sei für 40 bis 60 Prozent des Anstiegs der CO2- Emissionen verantwortlich. Die Weltbevölkerung werde von heute etwa 6,8 Milliarden auf voraussichtlich 9,1 Milliarden Menschen im Jahr 2050 steigen. Gelänge es, die Bevölkerungszahl nur auf 8 Milliarden wachsen zu lassen, würden der Untersuchung zufolge auch 1 bis 2 Milliarden Tonnen CO2 weniger ausgestoßen.
Bis zum Jahr 2050 rechnen die Experten damit, dass es rund 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben wird - also Menschen, die vor Dürren, Wüstenbildungen oder Überschwemmungen fliehen. Bisher seien schätzungsweise 25 Millionen Menschen durch Umweltveränderungen vertrieben worden. Der Bevölkerungsbericht geht davon aus, dass bis zum Jahr 2100 die Durchschnittstemperatur um 4 bis 6 Grad Celsius zunimmt, wenn es nicht gelingt, die C02-Emissionen zu verringern. Seit Ende des 19. Jahrhunderts sei die durchschnittliche Temperatur schon weltweit um 0,74 Grad gestiegen.