Abendmahl: Gefahr durch Schweinegrippe?
Schon seit Tagen raten Experten dazu, strikte Hygiene walten zu lassen, auch beim Abendmahl. So sollen Pfarrerinnen und Pfarrer den Kelch weiterdrehen, bevor er zum nächsten Mund geführt wird. Zwischendurch sei der Kelchrand mit hochprozentigem Alkohol zu reinigen. Die Praxis der Intinktio (Eintauchen des Brotes in den Kelch) solle den Gläubigen angeboten werden, gegebenenfalls müsse auf Einzelkelche ausgewichen oder ganz auf die Teilnahme am Abendmahl verzichtet werden.
18.11.2009
Von Bernd Tiggemann

Mal ehrlich: das sind doch alles alte Hüte, die ich grundsätzlich bei jeder Abendmahlsfeier erwarte. Nicht nur in virenreichen Zeiten wie diesen. Ein Großteil der Christinnen und Christen taucht die Oblate längst in den Wein oder in den Traubensaft ein, anstatt einen ordentlichen Schluck aus dem silbernen Gefäß zu nehmen. Die Geistlichen drehen den Kelch fleißig weiter, nachdem Küsterinnen und Küster ihn porentief gereinigt haben. Und wer sich krank fühlt setzt schon seit Jahr und Tag eine Runde aus, um andere nicht zu gefährden. Warum also die ganze Aufregung?

Vielleicht ist sie wichtig, um die Akteure des Gottesdienstes zu sensibilisieren. Jedenfalls wäre es schön, wenn sich alle an die wenigen Tipps hielten und damit so viel Hygiene an den Tag legten, wie es die augenblickliche Situation nahe legt.

Vielleicht, und das wäre weniger schön, trägt die Aufregung dazu bei, dass die Zahl der Abendmahlsbesucherinnen und –besucher rapide sinkt. Ja dass sogar nicht Wenige aus Sorge vor einer Ansteckung dem Gottesdienst fern bleiben.

Richtig und selbstverständlich ist erstens, dass alle die, die schon krank sind, tunlichst zuhause bleiben sollten, um andere nicht zu gefährden. Genauso richtig ist es aber, dass sich niemand durch den Besuch eines Gottesdienstes einem größeren Risiko aussetzt, an Schweinegrippe zu erkranken, als wenn er regelmäßig arbeiten geht oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist.

Deshalb plädiere ich für Gelassenheit und nehme weiter am Abendmahl teil. Ja, ich trinke sogar noch aus dem Gemeinschaftskelch. Und zwar mit ruhigem Gewissen, weil ich in den meisten Runden der einzige bin, während alle anderen Abendmahlsgäste die Oblate eintauchen.