Bischöfe rufen am Buß- und Bettag zur Besinnung auf
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat am Buß- und Bettag zum Innehalten und Nachdenken aufgerufen. Die Landesbischöfin warnte zudem vor einem Leistungsstreben, das allein "den Starken, Schönen und Erfolgreichen sieht".

Der Suizid von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke habe gezeigt, wie gefährdet das Leben jenseits von allem Anschein von Erfolg und Anerkennung sei, sagte Käßmann am Mittwoch im Bußtagsgottesdienst in der Marktkirche in Hannover. "Nichts auf dieser Erde, nicht Geld, nicht anerkannte Leistung kann uns vor dem Abgleiten in seelische Tiefen bewahren, wenn wir keinen anderen Halt haben als äußerliche Glückskriterien." Enke, der jahrelang an schweren Depressionen litt, hatte sich am 10. November das Leben genommen.

Die hannoversche Landesbischöfin rief dazu auf, ein Leistungsdenken und -streben aufzugeben, dass allein "den Starken, Schönen und Erfolgreichen sieht". Es gehe darum, dem anderen zuzugestehen, dass er seine starken Seiten zeigen und leben könne und trotzdem Schwächen eingestehen dürfe. Auch ein Gefühl von Leichtigkeit, Humor, Lebenslust und Lebensfreundlichkeit gehöre zum Alltag dazu. Die Gesellschaft, müsse sich bewusst sein, dass "der Mensch kein perfektes Wesen ist". Bei der Trauerandacht für Enke vor einer Woche seid deutlich geworden, dass kein Fußballritual den Trost ersetzen könne, den der christliche Glaube gebe, erläuterte Käßmann: "Weil unser Glaube um Leid, Not und Tod weiß. Weil wir nicht nur Siege kennen, sondern weil auch die Verlierer vor Gott angesehen sind."

Ökumenischer Gottesdienst in Trier

Viele weitere Bischöfe mahnten mit Blick auf Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkrise zur Umkehr und Neuanfang. Der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende und Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, forderte eine gesellschaftliche Neuorientierung zu mehr Nachhaltigkeit. Katastrophenszenarien wie Klimawandel, Terror und Krieg bewirkten offenbar keine Umkehr, sagte der Repräsentant von fast drei Millionen Protestanten am Mittwochabend im Trierer Dom. Schneider feierte gemeinsam mit dem katholischen Trierer Bischof Stephan Ackermann einen ökumenischen Gottesdienst.

Nach Ansicht von Bayerns Landesbischof Johannes Friedrich ist die Schärfung des Gewissens die zentrale Botschaft des Buß- und Bettages. Nach christlichem Verständnis werde Gottes Werk dann erfüllt, "wenn wir nicht unser eigenes Wohl im Auge haben, sondern auch das der Mitmenschen, der Umwelt und der Schöpfung". Der Bußtag biete die Chance für einen Neuanfang, fügte Friedrich hinzu. Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl ermahnte zu größerer Einsicht in eigene Fehler. Selbstkorrektur sei notwendig, "um der Verantwortung willen und wegen der Perspektive für die Gemeinschaft, der wir angehören", sagte Bohl in der Dresdner Kreuzkirche. Ein Menschenleben ohne Neuanfänge wolle er sich nicht vorstellen.

Feiertag in Sachsen soll bleiben

Die Bischöfin der mitteldeutschen Landeskirche, Ilse Junkermann, sprach sich im MDR-Hörfunk dafür aus, dass Sachsen den Buß- und Bettag als gesetzlichen Feiertag beibehält. "Ich finde es gut, dass es ein Bundesland gibt, in dem die alte Tradition hochgehalten wird", sagte Junkermann. Es gehe an diesem Tag darum zu überlegen, "wo sind wir auf dem richtigen Weg und wo sind wir auf dem Holzweg". Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen rief dazu auf, nach den Erfahrungen der Finanz- und Wirtschaftskrise die "Umkehr" wirklich ernst zu nehmen. "Lasst euch nicht einreden, dass alles auf Fortschritt und Wachstum ausgelegt sein muss", sagte sie in der Hauptkirche St. Petri. Buße und Umkehr seien täglich erforderlich, weil nur so Fehler korrigiert werden könnten.

Der badische Landesbischof Ulrich Fischer unterstrich die Bedeutung des Bußtags für das öffentliche Leben: "Die mahnende Zeitansage Jesu ist besonders eindringlich angesichts unseres eigenen Verstricktseins in globale wirtschaftliche Gewaltmechanismen, deren Opfer zumeist andere Menschen sind, besonders jene in Afrika, welche die Finanz- und Wirtschaftskrise grausam und oft tödlich trifft." Der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, forderte eine Neuorientierung der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit. Das marktradikale Konzept von Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung habe gezeigt, in welches Verderben die Missachtung von Grenzen führt, sagte Buß am Mittwochabend laut Redetext.

Erinnerung an Robert Enke

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, mahnte ein Umdenken im Leistungssport an. "Hoffentlich wird nun auch wahr gemacht, worüber in den zurückliegenden Tagen nach dem Tod von Robert Enke so vollmundig gesprochen wurde: eine höhere Aufmerksamkeit für die seelische Verfassung von Leistungssportlern", sagte Brahms, der auch theologischer Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche ist. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), rief zum Bußtag die Menschen auf, aus ihren Fehlern zu lernen. "Wenn wir Buße ernst nehmen, haben Ausreden keine Berechtigung", sagte er als Gastprediger in einem Standortgottesdienst in Oldenburg. Die bundesweite Trauer um Nationaltorwart Enke habe er als eine Form der kollektiven Buße empfunden.

Der protestantische Buß- und Bettag hat in Deutschland eine lange Tradition. Er wurde erstmals 1532 in Straßburg begangen. In den 1990er Jahren wurde er zum politischen Zankapfel und 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen als gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Der Bußtag hat seinen festen Platz im kirchlichen Festkalender jedoch nicht verloren. Viele Gemeinden luden am frühen Abend zu Gottesdiensten ein, um so auch Berufstätigen die Teilnahme zu ermöglichen.

epd