Ähnlichkeiten zwischen dem Schweinegrippevirus und anderen Grippestämmen führen dazu, dass Teile der Bevölkerung gegen die neue Infektion gut gewappnet sind. Das berichtet eine amerikanische Forschergruppe um Bjoern Peters vom La-Jolla-Institut für Allergien und Immunologie in Kalifornien (USA), in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften. Ein vergleichsweise milder Verlauf der Grippe durch eine vorhandene Immunabwehr sei wahrscheinlich, erklären die Forscher.
Peters und seine Kollegen verglichen dreidimensionale Strukturen an der Virusoberfläche, sogenannte Epitope, die das menschliche Immunsystem zur Bildung von Antikörpern anregen. Dabei fanden sie Ähnlichkeiten zwischen den Schweinegrippe-Epitopen und denen anderer Grippeerreger, die demnach auf eine vorhandene Immunität gegen die neue Grippe hindeuteten.
Virus bis zu 70 Prozent identisch
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Die Forscher fanden insgesamt 49 Prozent der bislang bekannten Grippe-Epitope auch im Schweinegrippevirus. Je nach Art des Epitops gab es allerdings große Unterschiede: Während nur 17 Prozent der sogenannten B-Zellen-Epitope des Schweinegrippevirus jenen bekannter Grippeviren gleichen, sind immerhin 69 Prozent der sogenannten T-Zellen-Epitope der Schweinegrippe bereits bekannt und werden daher vom menschlichen Immunsystem erkannt. Daraus schließen Peters und seine Kollegen, dass zwar nur geringer Schutz gegen eine Infektion mit der Schweinegrippe besteht, der Verlauf der Krankheit sich allerdings kaum von einer normalen Grippe unterscheiden wird.
Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC zählte zwischen Mitte April und Ende Juli 2009 mehr als eine Million Schweinegrippe-Erkrankungen, von denen 5.000 in Krankenhäusern behandelt wurden und 302 zum Tode führten. Auch diese Zahlen weisen auf einen vergleichsweise milden Verlauf der Schweinegrippe hin, erklären die Forscher. Die USA haben etwa 305 Millionen Einwohner. Zum Vergleich: Das Robert-Koch-Institut hat zur Zeit insgesamt 16 H1N1-Todesfälle in Deutschland registriert, das knapp 82 Millionen Einwohner hat.
Weniger Pilger nach Mekka
In Saudi-Arabien führt die H1N1-Pandemie in diesem Jahr zu weniger Gedränge an den heiligen Stätten des Islam. Viele Muslime haben ihre geplante Wallfahrt nach Mekka und Medina, den "Hadsch", aus Angst vor dem Virus auf das nächste Jahr verschoben, es werden nur zwei Millionen statt wie sonst bis zu drei Millionen Pilger erwartet. Das Gesundheitsministerium in Riad hatte zuvor erklärt, für Pilger aus Saudi-Arabien sei die Impfung gegen das Virus Pflicht. Den Pilgern, die aus dem Ausland zum "Hadsch" kommen, raten die Gesundheitsbehörden des islamischen Königreiches ebenfalls zur Impfung, sie ist für sie aber nicht zwingend vorgeschrieben.
Die mehrtägige Wallfahrt nach Mekka und Medina, den Wirkungsstätten des Propheten Mohammed, erreicht ihren Höhepunkt Ende kommender Woche. Sie gehört neben dem täglichen Gebet, den Almosen, dem Glaubensbekenntnis und dem Fasten im Ramadan zu den sogenannten fünf Pfeilern des Islam.
Das saudische Gesundheitsministerium hatte am Sonntagabend erklärt, die Zahl der Erkrankungen sei in den vergangenen Tagen um 50 Prozent gestiegen. Absolute Zahlen wurden nicht genannt. Die britische Medizin-Zeitschrift "The Lancet" schreibt in ihrer aktuellen Ausgabe, ältere Menschen, schwangere Frauen, chronisch Kranke und Kinder sollten in diesem Jahr wegen des erhöhten Risikos nicht am "Hadsch" teilnehmen.
Schwangere tragen besonderes Risiko
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Schwangere gehören zur Risikogruppe der Schweinegrippe-Gefährdeten, ebenso wie Neugeborene. Damit nicht ausgerechnet die Mutter zur größten Gefahr für ihr Kind wird, sollte sie sich unmittelbar nach der Entbindung impfen lassen, rät Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Köln: "Alle Kontaktpersonen wie zum Beispiel auch die Hebamme sollten geimpft sein, das scheint im Bewusstsein aber noch gar nicht so angekommen zu sein." Eltern und Geschwister von kleinen Babys sollten vorbeugend Mundschutz tragen und die Kleinen nicht küssen, betont Hartmann.
Für Neugeborene und Babys gibt es noch keine zugelassenen Medikamente, warnte der Leitende Oberarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Freiburger Uniklinik, Professor Reinhard Berner: "Die Säuglinge tragen definitiv das allerhöchste Risiko". Erkrankt ein Säugling an der Schweinegrippe, stehen die Ärzte vor einem Dilemma: "Wir sind dann in einer ganz problematischen Situation. Wir geben mit Bauchschmerzen Tamiflu, obwohl es keine handfesten belegten Untersuchungen gibt, welche Dosis man einem Neugeborenen oder einem Säugling von drei Monaten geben kann", erklärt Berner. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA habe die Verabreichung von Tamiflu an Säuglinge überhaupt nur ausnahmsweise "unter der Bedingung einer Pandemie" zugelassen.
Lehrer wollen klare Ansage zur Gefahr
Eine Überwachung der kleinsten Grippe-Patienten rund um die Uhr auf der Intensivstation sei geboten, sagen Berner und andere Mediziner. Die Gefahr einer Ansteckung im Mutterleib oder bei der Geburt sehen Kinderärzte und Gynäkologen aber nicht. Über eventuelle Nebenwirkungen des Schweinegrippe-Impfstoffes bei Schwangeren und Auswirkungen auf das Kind gebe es auch noch keine Daten, erklärte Oberarzt Berner. Klare Aussagen fordern aber nicht nur diejenigen, die sich bei der Impfung unsicher sind.
Auch die Lehrer wollen eine klare Linie für Schulen. Der permanente "Zickzack-Kurs" von Schulbehörden und Gesundheitsämtern sorge für eine tiefe Verunsicherung, kritisierte Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes. Schulen seien sehr stark von der Infektionsgefahr betroffen. Wenn die Gesundheitsgefahren so groß seien wie einige Experten behaupteten, müsse es größere Impfaktionen an Schulen gebe, forderte Meidinger. Sei die Gefahr jedoch nicht größer als bei bisherigen Grippewellen, solle es auch keine weiteren Schulschließungen mehr geben. "Politik und Behörden müssen sich endlich entscheiden, auf welche Weise sie ihre Verantwortung für die Gesundheit der Kinder wahrnehmen wollen", sagte der Lehrervertreter.