Private Rentenvorsorge dämpft die Konjunktur
Private Rentenvorsorge ist nicht besser als die gesetzliche Rente. Im Gegenteil: Die private Alternative dämpft die Wirtschaftsleistung, weil sich die Sparquote erhöht.
16.11.2009
Von Frauke Weber

Die Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland seien zu hoch, die Lohnnebenkosten müssten unbedingt gedeckelt werden, der Rentenbetrag dürfe nicht weiter steigen – Aussagen, die in Deutschland ebenso gern wie oft zu hören sind. Doch sind die Sozialversicherungsbeiträge wirklich so problematisch? Was passiert, wenn der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung steigt? Die überraschende Antwort: Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es sogar effizienter, wenn der Rentenbeitrag steigen oder der Staat Geld in das System transferieren würde als wenn Arbeitnehmer privat zusätzlich vorsorgen.

Zu diesem Ergebnis jedenfalls kommt eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Hauptgrund: Die zusätzliche private Altersvorsorge, die Arbeitnehmer allein stemmen müssen, hilft zwar Banken, Sparkassen und Versicherungen, wirkt sich aber negativ auf die Kaufkraft aus. Denn was einmal gespart wurde, steht nicht mehr für den Konsum zur Verfügung und dämpft somit die Binnenkonjunktur.

Vorteile für derzeitige Beschäftigte

Die Rentenreformen der jüngsten Vergangenheit sollten einen Anstieg der Rentenbeiträge nur bis auf 22 Prozent im Jahr 2020 erlauben. Zwar hat die Deckelung für Arbeitgeber wie auch für heutige Beschäftigte zunächst einen Vorteil: Der Beitragssatz kann nicht ins Unendliche steigen, beide Seiten können sich also auf einen relativ stabilen Satz einstellen.

Langfristig gesehen geht die Rechnung nach Berechnungen der Autoren Camille Logeay, Volker Meinhardt, Katja Rietzler und Rudolf Zwiener aber nicht auf. Die Beiträge zur Riester-Rente eingerechnet, müssten Arbeitnehmer im Jahr 2020 15 Prozent ihres Bruttogehalts in die Altersvorsorge stecken: elf Prozent als anteiliger Satz für die gesetzliche Rentenversicherung, vier Prozent für die Privatvorsorge. Ohne die Rentenreformen würde der gesetzliche Beitrag auf bis zu 25 Prozent steigen – Arbeitnehmer tragen davon die Hälfte, also 12,5 Prozent. Weniger als die 15 Prozent inklusive privater Vorsorge.

Wie sich die Privatvorsorge auf die Konjunktur auswirkt, zeigen die Forscher am Beispiel der Riester-Rente: Seit 2002 hilft die staatliche Förderung bei der privaten Vorsorge. Für den Zeitraum von 2002 bis 2007 machten die Forscher eine um knapp einen Prozentpunkt gestiegene Sparquote bei privaten Haushalten aus. Im gleichen Zeitraum sank Konsum dieser Gruppe um 1,5 Prozent. Da auch Unternehmen nicht mehr investierten, dämpfte das die Wirtschaftsleistung in dem Zeitraum um real fast ein Prozent. Zwar mussten die Rentenversicherer wegen der Reformen weniger ausgeben, allerdings wurde dieser Einspareffekt durch die geringere Wirtschaftsleistung wieder aufgezehrt, da Städte, Gemeinden und andere Sozialversicherungen weniger Einnahmen, aber mehr Ausgaben hatten.

Woher soll die Rendite kommen?

Und noch ein weiteres Manko machen die Forscher bei der kapitalgedeckten Vorsorge geltend: Krisen können ein solches System ernstlich ins Schleudern bringen, Verluste könnten sich bis zum Alter nicht mehr ausgleichen lassen. Aktuelle Beispiele: Irland und die USA, wo Arbeitnehmer ab 45 Jahren mit Verlusten zwischen 17 und 25 Prozent bei ihrer privaten Rente rechnen müssen, so die OECD. Auch die immer wieder gerühmte höhere Rendite privater Vorsorge lassen die Autoren der Studie so nicht gelten: Mit Anlagen im Inland sei eine dauerhaft hohe Rendite von beispielsweise vier Prozent nicht zu erzielen, bei Anlagen im Ausland ergebe sich schon ein Problem durch Kurswechselschwankungen.

Die Forscher sehen daher den Ausbau der Kapitaldeckung und eine stärkere private Vorsorge in der Pflegeversicherung kritisch, wie sie die neue schwarz-gelbe Regierung vorsieht.